Inzwischen kaufe ich keine Orangen mehr im November, denn eine Enttäuschung ist vorprogrammiert. Die Früchte halten nicht, was ihre knallige Farbe verspricht. Sie sind trocken und strohig, schmecken zwar süß, sind aber ohne Aroma. Das kommt nicht von ungefähr, denn den Höhepunkt der Saison für Zitrusfrüchte erreicht man gegen Weihnachten, wenn die Haupternte in den mediterranen Ländern eingefahren wird. Und wie saftig und schmackhaft die Früchte wirklich sind, hat wenig mit der Farbe der Schale zu tun. Da überrascht es nicht, dass der Name der Früchte nichts mit der Farbe ihrer Schale zu tun hat.
Orangen verdanken ihren Namen nicht etwa der Farbe ihrer Schale, es ist genau umgekehrt. Der Name stammt aus der südasiatischen Heimat der Frucht, worauf auch ihr anderer Name „Apfelsine" für „chinesischer Apfel" hindeutet. Das Wort „Orange" geht auf einen Wortstamm „naran[g/j]a" zurück, was so viel wie „Duft" bedeutet. Nicht der Reifegrad, sondern die nächtlichen Temperaturen und die Verfügbarkeit von Stickstoff und Wasser entscheidet über die Färbung. Nur in Ländern mit ausgeprägten Jahreszeiten und kühlen Nächten entwickeln die Früchte die für uns typische Reifefarbe. Das ist im europäischen Mittelmeerraum der Fall und so konnte die Frucht womöglich nur bei uns ihren Namen an die Farbe gelb-rot vererben. In ihren tropischen Heimatländern bleiben Orangen jedenfalls ganzjährig grün.
Das folgende Foto zeigt vollreife dunkelgrüne Orangen von einem thailändischen Markt. Ich glaube nicht, dass unsere gleichförmig orange gefärbten Orangen besser schmecken. Das Gegenteil mag der Fall sein, denn auch die Orangen und Clementinen aus dem Mittelmeerraum werden erst ab etwa Januar auf natürliche Weise orange.
Die EU hat jahrelang Orangen nach ihrer Farbe klassifiziert, nicht etwa nach Geschmack oder Saftigkeit. In der Folge hat sich die zweifelhafte Praxis des Entgrünens breitgemacht, die oft fleckigen und leicht verschieden gefärbten Einzelfrüchte eine Einheitsfarbe verpassen. Werden im in der Vorsaison grünliche Früchte geerntet, hilft man nach.
Dafür werden die Früchte bei peinlich genau eingestellter Temperatur und Luftfeuchte für eine exakte Zeitdauer mit dem Pflanzenhormon Ethylen begast. Damit kann man den Farbton und die Gleichmäßigkeit zwar sehr genau einstellen, man beschleunigt damit aber auch unumkehrbar den Alterungsprozess der Frucht. Es kann zur Bildung von Fehlaromen kommen, die Säuren in der Frucht werden abgebaut, sie wird anfälliger gegen Kälteschäden und Pilzbefall. Gerade wegen letzterem badet man sie in mit Pestiziden versetztem Wachs, das dann beim Schälen an den Fingern haften bleibt und so beim Verzehr in den Körper gelangt. Weil sich beim Begasen leichter der Kelch von der Frucht löst, können diese vorher mit dem Pestizid 2,4-D behandelt werden. Das sind alles vermeidbare Pestizidanwendungen, die die Qualität der Frucht nicht verbessern, sondern nur die Nebenwirkungen einer zweifelhaften Farbkorrektur lindern soll.
Fast noch kurioser als die direkte Entgrünung der Früchte ist, wie man die Bäume behandelt. Im Sommer wird den Orangenbäumen ein Teil der Rinde entfernt, oder man zieht eine Drahtschlinge um den Stamm. Dieses „Ringeln" und „Würgen" soll den Saftstrom behindern und den Baum zu einer Notreife seiner Früchte bewegen.
Die teuren und schnell verderblichen Strohfrüchte zum Beginn der Saison sind also einfach noch nicht so weit. Zitrusfrüchte müssen essreif geerntet werden, anders als etwa Bananen sind sie nicht zu einer Nachreife fähig. Eine Behandlung mit Ethylen kann da nur schaden.
via Dr. Ulrike Bickelmann und Udo Pollmer