Im Wahlprogramm der Grünen für das Wahljahr 2013{target="_blank"} kann man lesen:

Die Agrogentechnik hat keines ihrer Versprechen eingelöst. Statt Erträge zu steigern, hat sie den Einsatz von Pestiziden und die Gefahren für Umwelt, Menschen und Tiere erhöht.

Das ist flott geschrieben und passt zur ideologischen Ausrichtung der Grünen als fundamentalistische Gegner der grünen Gentechnik. Aber stimmt das auch?

Die Antwort darauf lautet: Es kommt darauf an, wie man die Sache betrachtet. Denn es sind weder alle Pestizide gleich, noch sind alle gentechnisch veränderten (GV) Pflanzen gleich, oder werden Pestizide überall auf der Welt gleich eingesetzt.

Zunächst ist die Gentechnik nur ein Werkzeug, um Pflanzen mit bestimmten Genen und somit Eigenschaften auszustatten. So kann man zum Beispiel Reispflanzen entwickeln, die Überflutung über einen längeren Zeitraum tolerieren, oder die ihre Samenkörner mit Vitaminen anreichern. Diese Eigenschaften haben nichts mit Pestiziden zu tun.

Kartoffeln, die nicht mehr mit Fungiziden gespritzt werden müssen, oder pilzresistente Orangen und Bananen sollen im Gegenteil sogar den Einsatz von chemisch-synthetischen Pestizide verringern. In diese Reihe lässt sich auch eine der beider kommerziell erfolgreichsten Eigenschaften einordnen: die Bt-Toxin-vermittelte Insektenresistenz. Durch die Herstellung eines Proteins aus dem Bodenbakterium Bacillus thuringiensis (Bt) werden die Pflanzen gegen Fraßinsekten geschützt. So wird eine transgene Bt-Mais-Pflanze kaum noch durch die Larven des Maiszünslers und Maiswurzelbohrers befallen. Über das Bt-Toxin liegen Erfahrungen aus fast 100 Jahren vor, seine Wirkung ist auf bestimmte Insektenarten beschränkt und gilt als äußerst nützlingsschonend. Selbst im Bio-Landbau wird Spritzbrühe aus abgetöteten Sporen von B. thuringiensis eingesetzt.

Man darf nicht vergessen: Pflanzen haben keine Beine und können vor Fraßfeinden nicht einfach weglaufen. Deshalb haben sie oft chemische Strategien entwickelt, um sich vor Fraß und Krankheit zu schützen: sie sind giftig oder ungenießbar. Kartoffeln produzieren zum Beispiel Solanin, um Kartoffelkäfer abzuwehren, Maniok lagert Blausäure in seinen Geweben ein. Weil Menschen Solanin auch nicht gut vertragen, haben wir es herausgezüchtet und müssen dem Kartoffelkäfer auf andere Weise Herr werden. Aus dem Maniok muss vor der Verarbeitung zu Lebensmitteln stundenlang die Blausäure herausgekocht werden, jedes Jahr gibt es zahlreiche Vergiftungsfälle.

Wird das Bt-Toxin gentechnisch in Baumwolle oder Mais eingebracht, bringen diese Pflanzen also ihr eigenes Bio-Insektizid mit. Und in der Tat gilt es heute als erwiesen, dass der Einsatz von Bt-Pflanzen den Bedarf an gesprühten Insektiziden stark gesenkt hat. Das schlussfolgert selbst die amerikanische Öko-Organisation Organic Center in ihrem Bericht von 2009, in dem sie über US-Äcker schreibt:

Bt corn and cotton have delivered consistent reductions in insecticide use totaling 64.2 million pounds over the 13 years. Bt corn reduced insecticide use by 32.6 million pounds, or by about 0.1 pound per acre. Bt cotton reduced insecticide use by 31.6 million pounds, or about 0.4 pounds per acre planted.

So wurde erst letztes Jahr durch eine Arbeit in Nature gezeigt, dass der Anbau von Bt-Baumwolle die ausgebrachten Insektizidmengen erheblich reduziert hat. Darüber hinaus hat er Erträge China und Indien verbessert, und Vergiftungen von Bauern mit Insektiziden sind drastisch zurückgegangen, denn wo weniger Gift in Kanister und Sprühvorrichtungen gefüllt werden muss, da gibt es etwa auch weniger Unfälle. Außerdem verbessert der Anbau von Genbaumwolle die Diversität von Insektenarten auf dem Feld und schont Nützlinge. In den USA, wo Bt-Mais besonders stark angebaut wird, profitierten Bauern mit konventionellen Sorten, weil die Schädlingsdichte insgesamt stark zurückgegangen ist. Das sind alles Punkte, die wissenschaftlicher Konsens sind: Das Konzept der insektenresistenten Bt-Pflanze ist eine gute Sache und durch ihren Einsatz erhöht sich vor allem nicht den Verbrauch von Pestiziden.

Setzt man die Schädlinge einem Selektionsdruck aus, kommt es unweigerlich zu Resistenzen. Je stärker die Selektion, desto schneller wird das zum Problem. Das ist auch der Fall für das Bt-Protein, wie Lars Fischer hier am Beispiel des Maiswurzelbohrers erläutert. Das lässt sich nicht aufhalten, aber durch eine verbesserte Anbaupraxis hinauszögern.

Wie ist es mit den Herbiziden?

Allerdings ist auch eine zweite Eigenschaft kommerziell sehr erfolgreich, und zwar eine Herbizidtoleranz gegenüber Glyphosat. Das Herbizid wird unter dem Namen „RoundUp" vermaktet, die entsprechenden Pflanzen sind „RoundUp-Ready". Da eine Glyphosat-Toleranz mit der Nutzung des Herbizids Glyphosat einhergeht, zielt die oben aufgestellte Behauptung ganz klar auf die steigende Nachfrage nach Unkrautvernichtungsmitteln ab.

Es gibt andere Wege, um pflanzliche Licht- und Nahrungskonkurrenten (Unkräuter) loszuwerden, als sie totzuspritzen: man kann sie jäten, oder die Unkrautsamen vom Vorjahr unter Folie mit Hitze abtöten, oder wie die Reisbauern unter Wasser setzen und ertränken. Nicht immer ist das praktikabel. Traditionell werden sie einfach untergepflügt, was allerdings fatal für Bodenorganismen ist, und Erosion und damit den Verlust an Humus, Feuchtigkeit, Nährstoffen und Ausschwemmung in Gewässer begünstigt.

Soil_erosion_-_geograph.org_.uk_-_761070.jpg Traditionelle Bodenbearbeitung begünstigt Bodenerosion. Dieses Feld etwa wurde vor dem Winter gepflügt, ablaufendes Wasser hat die Schäden verursacht. (Bild: CC-BY-SA, Richard Webb)

Von den ganzen Unkrautvernichtungsmitteln wie 2,4-D (Agent Orange) oder das in der EU verbotene Atrazin ist Glyphosat noch das geringste Übel. Es ist von allen Alternativen am wenigsten giftig und es persistiert nicht im Boden. Und insgesamt hat der Einsatz von Herbiziden eben nicht nur Nachteile: Die Vorteile der pfluglosen Bewirtschaftung sind die geringere Erosion, weil der Boden weitgehend intakt bleibt, was wiederum die meisten Probleme des Unterpflügens eliminiert, und reduzierte Treibhausgas-Emissionen.

Sicher kann man auch hier einen Kampf gegen die Evolution nur verlieren. Wenn man großflächig Perstizide einsetzt, kommt es über kurz oder lang zu Resistenzen unter den Unkräutern, es entstehen die berüchtigten „Superunkräuter". Das ist insbesondere der Fall, wenn man nur auf eine einzige Substanz setzt. Glyphosat/Roundup wird übrigens auch konventionell breit eingesetzt, die Bahn etwa spritzt damit ihre Gleise pflanzenfrei.

Aber natürlich ist nicht die Gentechnik daran schuld, wenn der Herbizid-Verbrauch ansteigt. Es ist die Schuld der Herbizidtoleranz, und die kann man auch züchterisch erzeugen. BASF hat herbizidtoleranten „Clearfield"-Raps entwickelt, der gegenüber dem Herbizid „Clearfield Vantiga D" tolerant ist -- ganz ohne Gentechnik. Selbst wenn von heute auf morgen niemand mehr gentechnisch modifizierte Pflanzen anbauen würde, würde das auf lange Sicht nichts an der Verwendung von herbizidtoleranten Pflanzen ändern.

Transgen.de schreibt in diesem sehr lesenswerten Übersichtsartikel:

Dass dieses Problem nicht neu ist, zeigt ein Blick in die öffentlich zugängliche Datenbank der Weed Science Society of America. Herbizidresistente Unkräuter traten erstmals in den 1970er Jahren vermehrt auf, also lange vor dem Anbau gentechnisch veränderter Nutzpflanzen.

Dort kann man übrigens auch lesen, dass neue Herbizidtoleranzen etwa gegen die Wirkstoffe „Dicamba" und 2,4-Diphenoxycarbonsäure in Planung sind.

Fazit

Zu behaupten, „die Gentechnik" wäre für einen Anstieg des globalen Pestizidverbrauchs verantwortlich, ist also eine weitgehend sinnfreie Behauptung. So hat der Einsatz von Bt-Pflanzen im Gegenteil zu einer Reduktion des Insektizideinsatzes geführt, mit allen damit verbundenen ökologischen und gesundheitlichen Vorteilen. Das Herbizid Glyphosat, das sich in der Tat wachsender Beliebtheit erfreut, hat schädlichere Unkrautvernichtungsmittel ersetzt und bodenschonende Bewirtschaftungsverfahren populärer gemacht -- das muss man anerkennen, auch wenn man kein Freund von chemischer Unkrautbekämpfung ist.

Ja, wie bei jeder Art von Pestiziden gibt es auch hier Probleme mit Resistenzen, aber weder Insektenresistenz, noch Herbizidtoleranz ausschließliche Merkmale von gentechnisch veränderten Pflanzen -- diese Merkmale lassen sich auch auf konventionelle Art und Weise erzeugen.

Nachtrag: Transgen.de zitiert und verlinkt. Dank an Gerd Spelsberg!

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