Es geht derzeit mal wieder ein kleines bisschen das Abendland unter, denn die EU-Kommission wird demnächst den Anbau des gentechnisch veränderten Mais 1507 der Firma Dow/Pioneer in der gesamten EU zulassen. Seit 2006 ist der Import des „Genmais" als Futter- und Lebensmittel bereits erlaubt. Es ist Zeit für eine kleine, feine Presseschau!

Die Entscheidung ist als Folge eines Gerichtsurteils höchster Instanz herbeigeführt worden -- der Zulassungsprozess darf nicht mehr auf Jahrzehnte hinausgezögert werden. So entschied der Ministerrat über die Zulassung, wobei sich Deutschland zusammen mit drei anderen Ländern enthielt. Die Mehrheit war dagegen, wie TransGen.de in einem Hintergrundartikel erläutert:

[D]agegen stimmten Frankreich, Italien und weitere 17 Länder mit einem Stimmgewicht von 210 Stimmen. Damit wurde die für eine Ablehnung erforderliche qualifizierte Mehrheit von 260 Stimmen verfehlt. [...] Nun ist die EU-Kommission nach den EU-Verträgen verpflichtet, den Anbau von 1507-Mais zu genehmigen. Sie muss eine Zulassung aussprechen, wenn die in den EU-Rechtsvorschriften dafür festgelegten Voraussetzungen erfüllt sind. Die Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hatte sich mehrfach mit der Sicherheitsüberprüfung des 1507-Maises beschäftigt und war zu dem Ergebnis gekommen, dass er sich in Bezug auf Umwelt und Gesundheit nicht von herkömmlichen Sorten unterscheidet. --- Transgen.de

Der Mais ist nach allen Prüfungen genauso sicher, wie konventioneller Mais. Er hat einen eingebauten Schutz gegen den Fraß etwa von Schmetterlingslarven wie den Maiszünsler und ist gegen das Unkrautvernichtungsmittel Glufosinat unempfindlich. Jost Maurin von der TAZ hat zu meinem Erstaunen den Mais gar nicht wie gewohnt verteufelt, sein Kollege Eric Bonse berichtet ganz unaufgeregt -- vielleicht ist Maurin ja im Urlaub, wer weiß. (Nachtrag, 19.02.: Zu früh gefreut! Maurin hat einen Artikel nachgeschoben mit einem typisch alarmistischen Titel: „Genmais als Risiko für die Natur, Angst vor dem Giftmais"). Umweltverbände wie der BUND befürchten, dass Schmetterlinge durch das von der Pflanze hergestellte Fraßgift Bt-Toxin bedroht sind:

Der Genmais 1507 sei besonders problematisch, da er deutlich mehr Insektengift produziere, als der von der damaligen Agrarministerin Ilse Aigner 2010 verbotene Mais Mon 810. Damit gefährde er viele für den Maisanbau unschädliche, für die Artenvielfalt hingegen wichtige Insekten wie Schmetterlinge und Motten. --- BUND.de

Auch die Gesundheit von Bienenvölkern sei durch den Mais möglicherweise gefährdet.

Kristin Hüttmann von Spiegel Online hält dagegen und präsentiert einen Faktencheck um die Frage, ob der „Genmais" wirklich gefährlich ist und nimmt das Fazit im Titel vorweg: „Beweise? Fehlanzeige":

Gegner kritisieren, dass der Mais mit seinem eingebauten Insektengift auch Schmetterlinge, Wild- und Honigbienen gefährden würde. Auch seien die Risiken für Umwelt und Natur nicht ausreichend untersucht. Doch zahlreiche Studien widersprechen diesen Befürchtungen. [...] [Chinesische Forscher] durchforsteten [...] Studien aus den Jahren 2005 bis 2010. Für andere Insekten bestehe keine direkte Gefahr, schreiben die Forscher. Jahrelange Untersuchungen zeigten außerdem, dass keine Gefahr für Bienen besteht. [...] Da aber der Bt-Mais sehr spezifisch gegen Schmetterlinge wirkt, könnte er nicht nur dem Maiszünsler schaden, sondern auch anderen Schmetterlingsarten. Zahlreiche Projekte haben das untersucht. Forscher konnten dabei in Laborversuchen zeigen, dass unterschiedliche Schmetterlingsarten auch unterschiedlich auf verschiedene Bt-Proteine reagieren. --- Spiegel Online

Die ZEIT erwähnt, dass das Bundesforschungsministerium Langzeituntersuchungen zu Umweltauswirkungen gefördert hat. Der Projektleiter Stefan Rauschen wird aus einem Video zitiert: „Der Mais hält die Schädlinge in Schach, die er in Schach halten soll".

Alina Schadwinkel von der ZEIT bedauert deshalb, dass sich Deutschland nicht eindeutiger mit einem „Ja!" für die Zulassung ausgesprochen hat.

Statt sich klar in der Gentechnik-Frage zu positionieren, sich auf Fakten zu stützen und den Ärger der Bürger auszuhalten, haben sich die EU-Minister mit ihrer unklaren Haltung aus der Affäre gezogen. Denn sie stecken in einem Dilemma: Die Mehrheit der Europäer ist gegen den Anbau von Gentech-Pflanzen. Ernsthafte wissenschaftliche Einwände dagegen gibt es aber nicht. --- Zeit.de

Agrarminister Hans-Peter Friedrich (CSU) lasse nun prüfen, ob sich Ausstiegsklauseln auf nationaler oder regionaler Ebene durchsetzen lassen, berichtet Spiegel Online. Ohne wissenschaftliche Basis wird das schwierig, schon beim Verbot von Monsantos MON810 hat man sich auf eher wenig überzeugende Versuche mit Marienkäferlarven beziehen müssen. SPD und CSU sind beide gegen den Anbau, nur wegen der Meinungsverschiedenheit mit der CDU sei es zur Stimmenthaltung im Ministerrat gekommen. Auch die Opposition sieht den Genmais kritisch.

Auch die SPD im Bundestag will die Genmais-Sorte 1507 von deutschen Feldern fernhalten. Deren umweltpolitischer Sprecher Matthias Miersch plant einen fraktionsübergreifenden Gruppenantrag, da es sich seiner Ansicht nach um eine ethische Frage handelt. Zusammen mit Linkspartei und Grünen hätte die SPD genügend Stimmen, um ein Verbot durchzusetzen. Zuvor hatte Friedrich bereits erklärt, dass er Regionalklauseln anstrebe, die es den Bundesländern ermöglichen sollen, den Genmais zu verbieten. --- Spiegel Online

Es bleibt also abzuwarten, was auf nationaler Ebene dabei herauskommt und ob überhaupt Interesse seitens der Landwirt/innen besteht, den Mais auch wirklich anzubauen.

Bemerkenswerterweise hat gerade die TAZ und ausgerechnet der extrem gentechnikkritische Jost Maurin ein Interview mit einem Landwirt geführt, der den „Giftmais 1507" nur allzugern anbauen würde:

Maurin: Aber Feldzerstörungen kosten Sie doch Ärger und Zeit. Warum halten Sie trotzdem am Gentech-Mais fest?\ Harald Nitshcke: Ich will diesen technischen Fortschritt befördern. Mich ärgert, dass man die Forschung nicht weiterbetreibt. Wie viel Menschen müssen wir in der Zukunft ernähren? Bei der Einsparung von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln darf man auf das Instrument Biotechnologie nicht verzichten.-- [TAZ.de, 19.02.](https://www.taz.de/Landwirt-ueber-den-Anbau-von-Gen-Mais-/!133307/)

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