Wenn wir über Berufsgruppen schreiben, warum sollten wir dann sowohl männliche als auch weibliche Formen verwenden? Warum ist ein „generisches Maskulinum" in der Wissenschaft so oft unangebracht?
In ihrem letzten Video hat Mai Thi von maiLab hat eine spannende Frage aufgeworfen: Sollten wir aus der Wissenschaftskommunikation „gendern", also eine geschlechtergerechte Sprache verwenden?
Wie ich hatte sie sich früher, als praktizierende Chemikerin, keine Gedanken darüber gemacht, ob weibliche und männliche Berufsbezeichnungen eine Daseinsberechtigung haben. In der wohldefinierten Fachsprache die ohnehin Englisch und damit weitgehend geschlechtsneutral ist spielt das praktisch keine Rolle. Inzwischen ist sie aber Journalistin und Kommunikatorin und sieht das Ganze zumindest zwiespältig. Im Video liefert sie Argumente für und gegen das Gendern, das Fazit überlässt sie dem Publikum.
Das Grundproblem ist, dass die deutsche Sprache immer zwischen Männlein und Weiblein unterscheidet. Will ich über jemanden reden, muss ich mich zwangsläufig zwischen „sie" und „er" entscheiden.
Sind wirklich nur Männer und Frauen gemeint, fällt das Formulieren daher leicht. Patientinnen mit Krankheiten wie Endometriose oder Präeklampsie sind beispielsweise immer Frauen. Hier nur die männliche Form zu nutzen, erscheint sofort widersprüchlich und unangebracht. Wenn in einer Studie dagegen ausschließlich Männer untersucht wurden, schreibe ich selbstverständlich von „Probanden". (Komplizierter wird es natürlich, wenn es um Trans-Männer und Trans-Frauen geht.)
Aber oft geht es um Betroffenen-Gruppen, die ganz explizit „beide" biologischen Geschlechter einschließen. Blut- oder Gallengangskrebs etwa bekommen Männer und Frauen. Oder ich muss über Ergebnisse schreiben, die Arbeitsgruppen, Teams oder ganze Konsortien erarbeitet haben -- also sowohl Wissenschaftlerinnen, als auch Wissenschaftler.
Wie kann ich dann guten Gewissens schreiben, „Wissenschaftler haben herausgefunden", „Forscher haben entdeckt" oder „das Forscherteam folgerte", wenn dieses Team ausschließlich aus Frauen bestand? Oder wenn es sich um neun Frauen handelt und ein Mann? Oder wenn sich nur eine Frau unter den Beteiligten befand? Hier nur die männliche, vorgeblich „generische" Form zu verwenden, wäre sprachlich unpräzise. Das hat mit Political Correctness, Gleichmacherei und Genderwahnsinn nichts zu tun.
Viele sind der Meinung, dass die männliche Form, das sogenannte „generische Maskulinum" neutral sei und zwar wörtlich erst einmal zwar nur Männer bezeichne, aber Frauen sich gerne mitgemeint fühlen dürften. Ich sehe das anders.
Denn im Gegensatz zu Gegenständen bezeichnet das sprachliche Geschlecht bei Personen selbstverständlich auch das (soziale) Geschlecht. Nicht umsonst heißt es „der Mann" und „die Frau". Ich kenne jedenfalls keine sprachlich weibliche Bezeichnung für einen Beruf oder eine Personengruppe, die nur für Männer gilt.
Wohl gibt es aber weibliche Bezeichnungen etwa für Berufe, die vor allem von Frauen ausgeübt wurden: die Krankenschwester, die Putzfrau, die Hebamme, die Prostituierte zum Beispiel. Wie viele Männer stellt ihr euch vor, wenn ihr an diese Berufsgruppen denkt? Und wozu bräuchte man nochmal diese spezifischen Bezeichnungen, wenn doch der sprachliche Genus vom biologischen/sozialen unabhängig wäre?
Mit der Auffassung, dass das „generische" Maskulinum ein Mythos ist, bin ich zumindest nicht ganz allein. Und dass ich mir zu einer maskulinen Grundform die weibliche Form dazudenken soll, obwohl die ja im Ursprungswort nicht vorkommt, sehe ich nicht so recht ein.
Wie auch immer -- wir Wissenschaftskommunikatorinnen und Wissenschaftskommunikatoren sehen uns jeden Tag mit ganz profanen und praktischen Problemen des korrekten „geschlechtergerechten Formulierens" konfrontiert, wenn wir Geschlechterverhältnisse präzise beschreiben wollen.
Haben Sie es gemerkt? Doppelnennungen wie in dem vorausgehenden Satz sind lang und verschlechtern dadurch die Lesbarkeit. Wir müssen uns jedoch kurz fassen und wollen möglich leicht verdauliche Texte produzieren. Für unsere Zielgruppe -- häufig in den klassischen Medien, wo die Zeichenzahl wegen des begrenzten Platzangebots auf Totholz ganz besonders wichtig ist -- gilt Ähnliches.
Mit Schrägstrichen, Binnen-Is, oder den besonders „inklusiven" Gender-Gaps und Gender-Sternchen bewegen wir uns in politischen Gewässern, die mit dem Inhalt unserer Texte in der Regel nichts zu tun haben. Sie triggern häufig Abwehrreaktionen und sind zudem keine üblichen Formen, und lassen sich darüber hinaus nicht einmal so aussprechen, dass sie alle Personen im Zielpublikum verstehen.
Dann gibt es noch Passivformen, bei denen das handelnde Subjekt nicht genannt wird und gemeinhin und die völlig zu Recht als schlechter Stil gelten. Die bei einigen Schreibenden beliebte substantivierten Verben sind furchtbare und hässliche Krücken. Ich finde „Forschende" und „Studierende" einfach nur grässlich. Diese Bezeichnungen sind zudem meistens ebenso unpräzise, weil sie eine Tätigkeit beschreiben und diese ja nicht immer von allen beschriebenen Personen zutrifft.
Aber was ist denn nun mein Ausweg? Ich versuche, geschickt zu gendern. Statt „Forscherteams" schreibe ich zum Beispiel gern von „Forschungsteams". Ich halte das für eine sehr unauffällige und unaufgeregte Lösung. Oder noch einfacher: „Teams". Wer nicht von „Patienten", sondern von „Betroffenen" oder „Erkrankten" schreibt, hat Frauen, Männer und alles außerhalb des heteronormativen Spektrums verrenkungsfrei abgedeckt. Die Website geschicktgendern.de hat noch einige andere Beispiele parat. Für die Masse an Texten, die zum Beispiel nicht etwa auf eine besondere Gender-bewusste Zielgruppe zugeschnitten sind, eignen sich diese geschlechtsneutrale Formen. Mit ein bisschen Phantasie werden unsere Sachtexte trotzdem nicht allzu unpersönlich.
Wo es geboten ist, nutze ich die geschlechtsspezifische Form. Hier und da eingestreute Doppelnennungen tun übrigens niemandem weh! Wenn es Forscherinnen und Forscher sind, dann kann man das auch mal so hinschreiben. Denn es stimmt ja in der Mehrzahl der Fälle. Und solange es nicht in jedem Absatz steht, wird daran wohl niemand Anstoß nehmen.
Natürlich ist es bequem, wenn es sich tatsächlich nur um Männer handelt und man ungeniert von Kollegen, Direktoren, Vorstandsvorsitzenden, Abteilungsleitern und Diskussionspartnern auf der letzten Podiumsdiskussion schreiben kann. Doch weist dieser Umstand vielleicht auf ein ganz anderes Problem hin, auf das wir Kommunikatorinnen und Kommunikatoren meistens wenig Einfluss haben ...