Bei der Kommunikation der grünen Gentechnik ist etwas gründlich schief gelaufen. Die positive Aufbruchsstimmung ist irgendwann gekippt, heute ist Gentechnik in der Landwirtschaft überwiegend negativ besetzt. Mit den neuen, mächtigen Genome-Editing-Methoden wie CRISPR-Cas9 kündigt sich eine neue Revolution in den Laboren an. Können die Möglichkeiten des Internets verhindern, dass auch dieses Forschungsthema wieder so stark polarisiert wird? 

Vor etwa 40 Jahren begann die Diskussion über die Risiken der Gentechnik und wie sie reguliert werden sollte. Inzwischen ist sie in Forschung, Industrie und Medizin fest etabliert und wird dort auch von der Bevölkerung akzeptiert. Die genetische Modifikation von Ackerpflanzen („grüne Gentechnik") dagegen wird von den meisten Menschen abgelehnt, obwohl sie großes Potenzial hat. Aus verschiedenen Gründen lief die Kommunikation dieser Technologie „falsch".

Neue Methoden wie das CRISPR-Cas9-System machen Veränderungen am Erbgut präzise, schnell, kostengünstig und einfach. Sie werden bereits breit in den Laboren genutzt und beginnt auch, in die Anwendung in Klinik und Produktion zu diffundieren. Wie kann man nun verhindern, dass die Kommunikation dieser Technologie auch gegen die Wand fährt?

Die Berichterstattung über Genomeditierung in den traditionellen Totholz-Medien ist noch positiv und differenziert. Aber wie relevant ist das überhaupt noch? Wird CRISPR-Cas9 bald in dieselbe schmutzige Ecke gestellt werden, wie die grüne Gentechnik?

Die Bevölkerung akzeptiert das Nützliche

Aus der Sicht des Verbrauchers ist die negative Bewertung der grünen Gentechnik eine rationale Entscheidung. Gentechnisch veränderte Pflanzen haben meistens Merkmale, die gut für den Erzeuger sind, nicht den Verbraucher. Bei einem nicht unmittelbar erkennbaren Nutzen geht jedoch jede Risiko-Nutzen-Bewertung negativ aus. Zusätzlich wurde das Thema als Sündenbock und Projektionsfläche für die Probleme der Agrarwirtschaft vereinnahmt, was die Risiken größer erscheinen lässt, als sie sind.

Ich bin überzeugt: Die Genome-Editing-Technologien werden sich in den gleichen Bereichen wie die traditionelle Gentechnik behaupten und akzeptiert werden, wenn der Nutzen für jeden Einzelnen erkennbar ist. Aber auch im Speziellen, bezogen für „grüne Genomeditierung" wird die Kommunikation wohl kaum mehr so verlaufen, wie es in den 90ern der Fall war. Die Medienlandschaft hat sich in den letzten Jahren zu stark gewandelt. In welche Richtung sich die Diskussion entwickeln wird, ist dabei noch völlig offen.

„Wissenschaftskommunikation" ist keine Einbahnstraße mehr

Innerhalb der Wissenschaftsgemeinschaft gibt es heute einen Trend zu mehr Offenheit, mehr Transparenz und auch mehr Selbstkritik. Die OpenScience- und OpenAccess-Bewegungen streben nach freiem Austausch von Information und Wissen. Beispiele wie die Diskussion um #arseniclife zeigen, dass Forschungsergebnisse öffentlich in Fachblogs oder auf Twitter diskutiert und ausgewertet werden.

Die Folgen der Ablösung dieser alten Mechanismen ist eine kürzlich erschienene Forschungsarbeit. Sie zeigt: Twitter kann die Zitationsraten einer Publikation (die zentrale Währung der Wissenschaft) besser vorhersagen, als der traditionelle Impact Factor (der sich auf Zeitschriften bezieht).

Im Gegensatz zu früher haben auch Wissensschaffende und Institutionen eine Stimme, die eigentlich von allen Menschen gehört werden kann -- und umgekehrt. Anders als damals gibt es heute die Infrastruktur für einen aktiven Dialog zwischen den Menschen innerhalb und außerhalb der Wissenschaft.

Die Forscherin Dominique Brossard von der University of Wisconsin--Madison fasst es so zusammen: "Communication technologies have changed in the last several decades and the "people formerly known as the audience" are now content creators. In today's media environment, experts themselves are communicating directly with the public."

Risiken und Nebenwirkungen -- die Folgen der „Demokratisierung" von Wissenschaftskommunikation

Wir sehen heute, was die Aufweichung der traditionellen Strukturen bewirkt. Nicht nur das traditionelle wissenschaftliche Publikationswesen, auch der klassische Journalismus verliert langsam an Bedeutung. Die alten Stellvertreter- und Filtermechanismen der Mainstream-Medien sind ausgehebelt, stattdessen nehmen Nicht-Regierungsorganisationen, Universitäten und Wissenschaftsorganisationen, Communities mit gemeinsamen Interessen und auch einzelne Forschende an der Debatte teil. Gleichzeitig wird die Wissenschaftskommunikation durch Institutionen und Organisationen immer stärker.

Die viele Stimmen machen die Informationslandschaft aber auch unübersichtlich. Die Informationskonsumenten/innen reagieren und schaffen sich eine Filterblase, bei der sie selbst und Algorithmen streng kontrollieren, welche Nachrichten an sie herankommen.

Filterblasen begünstigen unsere natürliche menschliche Eigenschaft, extrem selektiv in unserer Wahrnehmung zu sein. Niederschwellige und emotional aufgeladene Nachrichten haben die besten Chancen, wahrgenommen zu werden. Mit den gerade breit diskutierten „Fake News" und emotional aufgebauschten oder halb erlogenen Meldungen schlägt sich die grüne Gentechnik schon seit vielen Jahren herum. Die postfaktische Zeiten haben nicht erst gestern begonnen.

Die zweite Nebenwirkung: Man wird verletzlich durch Öffnung und Transparenz. Man wird angreifbar und auch wirklich angegriffen. Die persönlichen Anfeindungen nehmen einem Zeit und Energie. Sie können sich zu Shitstorms auswachsen und Nobelpreisträgern sogar den Job kosten. Wie heißt es so schön? Das Internet ist ein wundervoller, aber erbarmungsloser Ort.

Deshalb hat auch nicht jeder Lust auf die neue Welt. Die Berührungsängste von vielen Wissenschaftler/innen mit neuen Kommunikationsmedien sind durch diese „Nebenwirkungen" gut begründet. Die Konfrontation mit der Öffentlichkeit ist nervenaufreibend und zeitraubend, gerade wenn es um emotionalisierte Themen wie Klimawandel, Tierversuche oder die grüne Gentechnik geht. Aber hier gibt es einen hohen gesellschaftlichen Bedarf an einer offenen Diskussion.

Wir sind noch längst nicht in der „idealen offenen Wissenschaft" angekommen, die allen Teilen der Gesellschaft einen Einblick hinter die Kulissen erlaubt -- obwohl der Bedarf zweifelsohne existiert.

Transparente Wissenschaft ist alternativlos, Wissenschaftskommunikation muss sich aber für Forschende rechnen

Trotzdem steht doch aber fest: Dieser gesellschaftliche Wandel ist in vollem Gange. Die Forderung nach mehr Transparenz wird immer häufiger gestellt und immer mehr Menschen haben den Anspruch, mitzureden. Es stellt sich die Frage, wie wir damit umgehen und diese Entwicklung mitgestalten.

Ich bin der Meinung, der einzige Weg ist vorwärts: die weitere Öffnung und Transparenz der inneren Mechanismen innerhalb des Wissenschaftsbetriebs. Dafür sind vor allem die Wissenschaftler/innen selbst gefragt.

Wie kann man also Forschende für die direkte Kommunikation mit der Bevölkerung motivieren? Kommunikation ist nicht attraktiv, wenn sie zu viel kostet und nicht nützt. Das Kosten-Nutzen-Verhältnis muss also stimmen.

Der indirekte Nutzen liegt auf der Hand: eine funktionierende Wissenschaftskommunikation sorgt für gesellschaftliche und politische Akzeptanz und die Forschungsgelder fließen. Ein direkter Nutzen ist dagegen schwer zu bestimmen -- außer in Citizen-Science-Projekten.

Wie könnte man die Kosten verringern? Geldgeber haben in letzter Zeit zunehmend Kommunikation ins Pflichtenheft aufgenommen. Diese verursachen aber in erster Linie lästige Mehrarbeit, kosten also besonders viel der wertvollsten Ressource in der Wissenschaft: Zeit.

Diese Zeitkosten zu verringern, ist schwierig. Man müsste den Druck aus dem System nehmen, damit man weniger Publikationen und Anträge schreiben muss. Würde man das traditionelle, hierarchische Publikationssystem beerdigen, würde das schon etwas helfen. Schön wäre es auch, wenn die Ablehnungsquote für Anträge und damit die Zahl der umsonst geschriebenen und begutachteten Anträge weniger hoch wäre. Aber wie soll das gelingen, ohne das gesamte Wissenschafts-System zu revolutionieren?

Vielleicht bringt es ja mehr, wenn es von institutioneller Seite moralische, juristische, technische und finanzielle Unterstützung für offen kommunizierende Forschende gibt. Das Motto wäre: Wenn die sonstigen Rahmenbedingungen für eine transparente und offene Kommunikation stimmen, werden diese auch angenommen.

Institutionelle Kommunikation übernimmt Aufgaben des Journalismus

Institutionelle Kommunikation könnte mit gutem Beispiel voran gehen. Sie sollte nicht bloße PR und politisches Agenda-Setting sein, sondern Fehler und Konflikte offen ansprechen und diskutieren. Sie würde sich auf Augenhöhe zur Bevölkerung begeben und mit offenen Karten spielen. Eine Haltung vertreten, diese ehrlich verteidigen und sich Kritik stellen. Das sollte kein Problem sein, wenn man sich sicher ist, dass man „das Richtige" tut!

Dass so etwas funktionieren kann, zeigt der Aufruhr um die Freilandversuche mit gentechnisch verändertem Weizen in britischen Rothamsted und die Gegenproteste. Die Aufklärungskampagne der Wissenschaftler mit Dialog-Veranstaltungen, mit Petitionen und Videoaufrufen war äußerst erfolgreich.

Eine andere Möglichkeit wäre, es den Boulevard-Medien und Nichtregierungsorganisationen nachzumachen und Themen emotional aufzuladen. Mehr niedliche Tiere, mehr Kinder und mehr dramatische Geschichten. Ich glaube aber, dass so etwas nur zu mehr Polarisierung führt.

Stattdessen sollten Forschungsinstitutionen ihre einmaligen Vorteile nutzen. Sie haben direkten Zugang zu den Laborarbeitern und zu den Geschichten der Wissenschaft. Sie kann so den abstrakten Organisationen auf einfache Weise menschliche Antlitze verleihen.

Unter dem Strich: Transparenz schafft Vertrauen schafft Akzeptanz

Bei einer offenen Kommunikation, die von allen akzeptiert und unterstützt wird, ergibt sich die Frage nach den passenden "Formaten" von ganz allein. Die Nutzung von Podcasts, Blogs, Vlogs und sozialen Medien kommt dann ganz natürlich. Dass alle diese Formate Nischen besetzen, sollte dabei nicht stören.

Eine Polarisierung des Themas Genome Editing kann man nicht verhindern -- man kann nur gegensteuern, indem man alle Karten auf den Tisch legt. Das Ziel ist die offene Wissenschaftsgesellschaft, die Aufgaben für die Zukunft sind damit vorgezeichnet.

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