Reispflanzen mögen es feucht, ersticken aber, wenn die über längere Zeit unter Wasser getaucht sind. Für Reisbauern, die über keine ausgeklügelten Entwässerungssysteme für ihre Felder verfügen, kann das bei starken Regenfällen zu einem großen Problem werden. Einige Reissorten überleben längere Zeit unter Wasser -- ein einziges Gen namens Sub1 macht sie resistent. Als die Pflanzengenetikerin Pamela Ronald von der University of California in Davis das Sub1-Gen entdeckte, wollte sie dieses natürlich schnellstens für die Allgemeinheit verfügbar machen. Fertigen Sub1-Genreis hatte ihr Labor schon längst hergestellt. Dessen Vermaktung hätte aber immense Zulassungskosten gefordert und die üblichen Akzeptanzprobleme mit sich gebracht. Und so entschloss sich Ronald, das Gen klassisch durch Kreuzung in die Zielpflanze zu übertragen. Da bei der Kreuzung das Erbgut der Elternpflanzen bunt durcheinandergewürfelt wurde, musste anschließend zurückgekreuzt und selektiert werden, um ungewünschte Eigenschaften wieder loszuwerden. Dieser Vorgang war sehr aufwendig, konnte aber durch Genanalysen der Tochterpflanzen stark beschleunigt werden. Am Ende hatte man eine konventionell hergestellte Sub1-Pflanze, die der gentechnisch veränderten Variante vollständig ebenbürtig war.

Ganz ähnlich verhält es sich bei gentechnisch verändertem Soja von Monsanto, wie es in Südamerika angebaut wird. Die umweltschädlichen Mega-Monokulturen, denen das Unkrautvernichtungsmittel RoundUp (Glyphosat) nichts anhaben kann, gelten als bester Beweis, dass Gentechnik das Werk des Teufels ist. Umwelt und Gesundheit leiden tatsächlich unter dem massiven Einsatz von Agrarchemikalien. Dabei ließe sich dieses Phänomen auch trotz einer Ächtung der Gentechnik nicht verhindern, denn eine Herbzid-Toleranz lässt sich schließlich auch auf anderen Wegen erzeugen. BASF entwickelte seine „Clearfield"-Pflanzen durch Mutation und Auslese. Sie sorgen für ein „sauberes" Feld, und zwar ganz ohne Gentechnik. Warum reguliert man die also Gentechnik so rigoros, wenn die Gesundheits- und Umwelteffekte sich nicht von denen konventioneller Pflanzen unterscheiden?

Die Technologie-Fixierung im Gentechnikgesetz war schon immer grober Unfug. Der Gesetzgeber versucht zwar gleich zu Beginn des Gesetzestextes klarzustellen: „[Ein gentechnisch veränderter Organismus ist] ein Organismus, [...], dessen genetisches Material in einer Weise verändert worden ist, wie sie unter natürlichen Bedingungen durch Kreuzen oder natürliche Rekombination nicht vorkommt" -- aber was bedeutet das in der Realität? Wie ich oben beschrieb, kann man künstlich natürliche Eigenschaften nachbauen: Die Grenzen zwischen Gentechnik und moderner Pflanzenbiotechnologie sind de facto fließend. Es gibt keinen grundlegenden Unterschied zwischen „natürlichen" und gentechnisch veränderten Pflanzen. Wie soll dieser Unterschied auch aussehen? Alles Leben auf der Erde gehorcht dem selben genetischen Code.

Früher brauchte man noch zwingend künstlich erzeugte Genfähren, die sich an zufälliger Stelle in das Erbgut der Zielpflanze einbauen. Heute gibt es Technologien, die Gene an Ort und Stelle präzise umschreiben können. Heraus kommen dabei Designer-Pflanzen, die auch auf Ebene der Erbgutanalyse nicht mehr von konventionell erzeugten unterscheidbar sind. Mit Oligonukleotid-gesteuerten Mutagenese, Zinkfinger-Nukleasen, TALENs und CRISPR/Cas9 steuern wir inzwischen Gene an und mutieren sie nach unserem Gusto. Wird dabei keine Fremd-DNA eingeführt, ist es per Definition keine gentechnische Veränderung.

Infolgedessen hat wie viele andere Behörden in anderen Ländern das Bundesministerium für Verbraucherschutz und Landwirtschaft auch grünes Licht für eine neue Rapssorte der Firma Cibus gegeben. Der "SU Canola" enthält keine fremden Gene und wurde lediglich gezielt mutiert. Der Raps ist gegenüber Unkrautvernichtungsmitteln der Sulfonylharnstoffe tolerant, ganz ähnlich wie die argentinischen Monsanto-Pflanzen. Umweltverbände wie der BUND laufen nun Sturm gegen die Entscheidung des BVL. Es ist die Rede von der „Gentechnik durch die Hintertür". Harald Ebner, Gentechnik-Sprecher der grünen Bundestagsfraktion nennt den Vorgang auf Twitter sogar „peinlich" und wirft der Behörde laut der ZEIT vor, in einem Hinterzimmer entschieden zu haben, was als Gentechnik gelte und was nicht.

Es ist wahr: die Öffentlichkeit wird gerade von den neuen biotechnologischen Methoden überrannt und kann kaum mehr mit der Entwicklung schritthalten. Die Gesetze erkennen diese nicht als Gentechnik an und es werden durch Industrie und Behörden Tatsachen geschaffen, obwohl der gesellschaftliche Diskurs über die Folgen der Technologie noch nicht einmal richtig begonnen hat. Ich frage mich: Hätten Pamela Ronald schon vor zehn Jahren naturidentische Sub1-Reispflanzen geschaffen und hätte Monsanto schon vor zwanzig Jahren diese Methoden zur Verfügung gehabt -- gäbe es dann heute die Anti-Gentechnik-Bewegung?

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