Natürlich ist es bekloppt, gegen einen viralen Infekt oder die echte Influenza-Grippe regelmäßig* Antibiotika zu verschreiben. Der Kinderdoc hält diese Praxis völlig zu Recht für absolut sinnfrei, schließlich hilft ein Antibiotikum (gegen Bakterien) herzlich wenig. Aus seinem Alltag:
"Ihr Kollege am Wochenende hat das Antibiotika verordnet."\ "Ah, ok. Und warum?"\ "Nuja, die Kleine hat ja die Erkältung?"\ "Und was hat er damit behandelt?"\ "Ähh, die Grippe?"\ "Mmh. Und warum ein Antibiotikum?"
Da kann ich mithalten! Gestern erst bei unserem Kinderarzt am Telefon mitgehört: (Mutter am Tresen) „Ja, die Kleine hat seit dem Wochenende Fieber, da wollte ich nur schnell ein Antibiotika abholen" -- (Sprechstundenhilfe) „Aber sie müssen doch zur Ärztin rein, wir wissen doch noch gar nicht, ob es bakteriell ist oder viral?" -- „Aber sie hat doch schon so lange Fieber" ... und so weiter.
Bei jeder Art von Erkältung ein Antibiotikum zu verschreiben, ist populär und beruht wohl teilweise auch darauf, dass die Patienten es verlangen. Denn es hat ja beim letzten Mal so gut geholfen. Dabei dauert eine Erkältung mit Antibiotikum eine Woche, und ohne ganze sieben Tage. Die Genesung mag mit der Einnahme zeitlich zusammenfallen (Koinzidenz), das heißt aber noch lange nicht, dass ein ursächlicher Zusammenhang besteht (Kausalität).**
Colin Purrington findet, die Ärzte haben diese Verwirrung mitverursacht und hat die Jammerei der Ärzte, dass die Patienten „Antibiotika" immer falsch verstünden, ziemlich satt. Immerhin bedeutet „Antibiotikum" im Wortsinn und im ursprünglichen Sinn so viel wie „Zeug, das tötet". Wenn jemand einen Infekt hat, erscheint es ja nur logisch, dass man den Erreger abtöten muss. Kann ja keiner wissen, dass Viren da nicht mitzählen. Die Praxis der Bekämpfung von Infektionskrankheiten sieht nämlich so aus: Viren kann man mit Virostatika am Ausbreiten behindern, Antimykotika wirken gegen Pilze, Antiprotozoika wirken gegen Protozoen wie Amöben oder Toxoplasmen, gegen Würmer nimmt man Antihelminthika, und Antibiotika helfen eben nur gegen Bakterien. Das ist nur begrenzt schlüssig.
Um diese ganze Verwirrung zu beenden, schlägt Purrington vor, die verwendeten Begriffe sauber voneinander abzugrenzen und zu verwenden. Antibiotika killen demnach einfach alles, was lebt, Antibiotika sollte man einfach Antibakteria nennen und klar machen, dass all die genannten Substanzklassen nur eine Untergruppen der Antiinfektiva/Antibiotika sind. Verwirrend? Finde ich auch. Colin Purrington hat ein schönes Diagramm gemacht, um zu veranschaulichen, worum es geht:
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So wäre das schön einfach. Was sagt ihr?
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* Damit meine ich das Verschreiben ohne bestimmte Indikationen, die in den Kommentaren angesprochen wurden.
** Nebenbei kann man anmerken, dass auf genau dieser Verwechslung von Korrelation und Kausalität die Homöopathie beruht. 😉