Andy Lewis (\@lecanardnoir) von Quackometer.net verkündete zu meinem Erstaunen:

Wenn Beweise und Vernunft der Homöopathie kein Ende bereiten, dann wird es das Gesetz tun. [(If evidence and reason cannot end homeopathy, the law will.)]{.small}

Was Evidenz und Ratio angeht: Die Homöopathie braucht in jeder Hinsicht eine Extrawurst, wenn sie als wirksame Medizin gelten will. Die Wirkung lässt sich angeblich mit herkömmlichen Verfahren nicht nachweisen und für die Erklärung des Wirkmechanismus muss man alternative Physik wie die „schwache Quantentheorie" bemühen, sie entzieht sich schlicht einer objektiven Sichtweise. Um an der Homöopathie festzuhalten, muss man vor allem glauben.  Als man in Deutschland in den siebziger Jahren das Arzneimittelgesetz aus der Taufe hob, hat man sich über Wirksamkeitskriterien Gedanken gemacht und beschlossen, dass „exakte Wissenschaft" nicht alles ist und andere Wege der Erkenntnis auch ihren Platz haben müssen. Und so hat man  diese Extrawurst in das Gesetz gebacken (siehe Abschnitt unten).

Im vereinigten Königreich ist das wohl anders. Dort befindet sich die homöopathische Community in heller Aufruhr, weil sie in der aktuellen Neufassung des britischen Arzneimittelgesetz keine Ausnahmeregelung bekommen. Offenbar wird mit dieser Neufassung, die schon ab dem ersten Juli gelten soll, die Bestellung von Homöopathika über das Telefon oder das Internet unterbunden. Es gibt nämlich nur etwa 50 lizensierte homöopathische Arzneimittel, und um eines der tausenden verbleibenden Mittel zu erhalten, ist eine persönliche Konsultation eines Apothekers oder einer Apothekerin notwendig. Der einzige Ausweg für 200.000 Homöopath/innen und angeblich 6 Millionen Patient/innen besteht darin, sich persönlich an eine der ganzen fünf (!) lizenzierten Homöopathie-Apotheken in Großbritannien zu wenden. Eine davon abweichende Praxis würde nicht nur die Apotheker/innen in die Illegalität drängen.

Es liegt auf der Hand, dass das quasi ein Ende der Homöopathie bedeuten würde, wie sie heute existiert. Über die Suche nach dem „richtigen", hochindividuellen Präparat  wird die Pseudomedizin maßgeblich definiert.  Es bleibt einfach nichts von ihr übrig, wenn man das Inventar auf nur 50 Mittel reduziert.

Andy Lewis meint dazu:

It's Game Over. Hence the panic.

Eine erfreuliche, interessante Entwicklung. Ich bin gespannt, welche Kunststücke die britische Homöopathenlobby anstellen wird, um aus der Nummer wieder rauszukommen.

Quellen / Links {#quellen_links}


Wie sieht es in Deutschland aus?

In Deutschland gibt es diese oben erwähnte Extrawurst für Homöopathen und Anthroposophen.

So müssen Homöopathika lediglich registriert werden, um als Medizin zu gelten. Natürlich darf im Mittel kein Wirkstoff mehr enthalten sein, wie es in Niedrigpotenzen der Fall ist, denn diese können durchaus pharmakologische Wirkungen haben. Es wurden bereits Niedrigpotenzen von schädlichen Stoffen aus dem Verkehr gezogen, da sie in der Tat die Gesundheit schädigen können.

Homöopathika müssen keine Wirkung und kein Anwendungsgebiet nachweisen:

Fertigarzneimittel nach Absatz 1 müssen innerhalb einer Frist von sechs Monaten seit dem 1. Januar 1978 der zuständigen Bundesoberbehörde unter Mitteilung der Bezeichnung der wirksamen Bestandteile nach Art und Menge und der Anwendungsgebiete angezeigt werden. Bei der Anzeige homöopathischer Arzneimittel kann die Mitteilung der Anwendungsgebiete entfallen. (AMG §25/2)

Weshalb das alles so ist, wie ist nun leider ist, erfährt man in einem Dokument, das in Vorbereitung zum Arzneimittelgesetz entstand:

Nach einmütiger Auffassung des Ausschusses kann und darf es nicht Aufgabe des Gesetzgebers sein, durch die Einseitige Festlegung bestimmter Methoden für den Nachweis der Wirksamkeit eines Arzneimittels eine der miteinander konkurrierenden Therapieeinrichtiungen in den Rang eines allgemein verbindlichen „Standes der wissenschaftlichen Erkenntnisse" und damit zum ausschließlichen Maßstab für die Zulassung eines Arzneimittels zu erheben. Der Ausschuß hat sich [...] von der politischen Zielsetzung leiten lassen, dass der in der Arzneimitteltherapie vorhandene Wissenschaftspluralismus deutlich widerspiegeln muss. Während sich für einen Teil der Arzneimittel ihre pharmakodynamische Wirkung und damit auch ihre therapeutische Wirksamkeit objektiv nachweisen läßt, gilt für eine beachtliche Zahl der bekannten Arzneimittel, daß deren Wirksamkeit nur relativ schwer objektivierbar ist, weil sich mit Hilfe der heute zur Verfügung stehenden wissenschaftlichen Prüfmethoden deren Wirkungen nur schwer oder überhaupt nicht experimentell nachweisen lassen. [...] [Der Ausschuß mußte] Sorge dafür tragen, daß neben den Kriterien der exakten Naturwissenschaften, [...] auch das teilweise jahrhundertealte Erfahrungswissen der besonderen Heilverfahren (Homöopathie, anthroposophische Medizin und Phytotherapie) für den Wirksamkeitsnachweis anerkannt wird. (Dokument zur Vorbereitung des 2. AMG vom 24.08. 1976. Bundestagsdrucksache 7/5091, Seite 6)

Traurig, aber wahr: Man beruft sich auf altes Wissen und behauptet die Existenz von „alternativer Wissenschaft". Wissenschaftspluralismus ist in der Medizin wohletabliert, angewendet auf Architektur oder Kernphysik wird die Absurdität augenscheinlich. Einige Irrungen und Pseudoargumente, versuche ich in meiner „Diskussionhilfe Alternativmedizin" zu entkräften.

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