Vermutlich wenig überraschend sind die ersten vier Wochen beim Tagesspiegel sehr schnell an mir vorüber gezogen. Inzwischen bin ich in die wichtigsten Abläufe eingearbeitet und ich vergesse nur noch selten, die richtigen Knöpfe im Produktionssystem zu drücken. Wenn ich zurückblicke auf meine letzten Jahre, wird mir teilweise jetzt erst klar, was ich vermisst habe.

Ein anderes Arbeiten

Anders als früher arbeite ich nun an einem definierten Produkt mit klaren Anforderungen, was das Schreiben immens fokussiert. Außerdem gibt es neben der Planung, dem Schreiben und der Produktion wenig Zusatzaufgaben. Derzeit konzipieren wir zwar eine Sonderserie, aber auch das geschieht im Rahmen der eigenen Möglichkeiten und Kompetenzen. Um das Layout oder die Vermarktung kümmern sich die jeweiligen Teams. Vorbei also die Zeiten, in denen man alles können muss, aber entsprechend nichts so richtig.

Klar hat es auch mal Spaß gemacht, eine Ausstellung zu kuratieren, Merchandise-Ideen zu diskutieren, die Lange Nacht zu planen, Besuchergruppen zu bespaßen oder neue Formate und Inhalte für Digital Signage auszudenken, drölfzig verschiedene Kanäle mit News zu bestücken und so weiter. Aber überwiegend hat es mich gestresst, weil es viel zu viele unterschiedliche Aufgaben für eine Person waren. Hier könnte die Max-Planck-Gesellschaft sich vielleicht überlegen, wie sich die Kommunikationsarbeit an den Instituten stärker professionalisieren ließe.

Der Alltag bei einer Tageszeitung ist natürlich anstrengend und hektisch. Tagesaktuelle Ereignisse müssen schnell nachrecherchiert werden und auch sonst füllen sich die Seiten nicht von allein, wofür Texte geschrieben oder bestellte Texte umgearbeitet und eingepasst, Bilder gefunden und untertitelt, Infokästen bestückt und Online-Texte für SEO optimiert werden müssen. Dazu kommt die Koordination mit anderen Ressorts, wenn es thematische Überschneidungen gibt. Insgesamt ist das Aufgabengebiet aber überschaubar.

Bei Außenterminen komme ich in der Stadt herum und sehe auch mal Ecken, an denen ich vorher nur vorbei gegangen bin, zum Beispiel die TU Berlin, das Anorganik-Hochhaus der FU oder die Beuth-Hochschule. Wildfremde Leute anzurufen, die sich freuen, von Ihrer Forschung zu erzählen, ist mir nach wie vor eine große Freude.

Auch sehr angenehm: Arbeitszeiten müssen aufgeschrieben und monatlich in der Personalstelle eingereicht werden. Das verhindert, dass man aus lauter Blödheit auch nach Feierabend an seinem Berg Arbeit weiterschafft, obwohl der sowieso nie kleiner wird.

Und da jedem automatisch eine halbe Stunde Mittagspause abgezogen wird, gehe ich nun regelmäßig mit den Kolleg:innen essen. Die Kantine liefert ganz ordentliche Qualität und sowieso ist alles besser, als überteuerte Uni-Mensen, einen Bäcker und einen Köfte-Stand in Laufnähe zu haben, wie es in Dahlem der Fall war.

Ein Team

Die Produktion und das Schreiben teilen wir uns im Team auf, ohne dass wir klare „Dienste“ vergeben, wie es sonst häufig üblich ist. Man spricht sich am Morgen ab, welche Texte vorliegen und welche fehlen und dann teilt man sich die Arbeit untereinander auf. Von unseren Expertisen ergänzen wir uns zu dritt recht gut, weil wir alle unterschiedliche Hintergründe, Fähigkeiten und Interessen haben. Das erleichtert auch das Einordnen, wenn sich in einen Text einmal kryptische Formulierungen aus den jeweiligen Fachbereichen einschleichen.

Gegenseitig liest man stets die Texte des jeweils anderen gegen, korrigiert gegebenenfalls oder fragt nach, wenn man unsicher ist. Der Austausch ist ehrlich, bescheiden und auf Augenhöhe, was sehr angenehm ist.

Mit Kolleg:innen im Haus kommt man schnell ins Gespräch, auch wenn es um mögliche neue Themen und Projekte geht. Die interne Kommunikation zwischen der Redaktionen und Teams läuft über ein bekanntes Messenger-System speziell für Unternehmen, was teilweise etwas überwältigend und chaotisch ist, aber alles in allem recht gut funktioniert. Das wenigste geschieht über E-Mail, hier läuft eher die externe Kommunikation ein.

Was nervt

Natürlich hat alles auch seine Schattenseiten, die sind aber ebenfalls überschaubar und erträglich. Klimatisierte Räume gibt es zum Beispiel nicht und jeder im Büro hat ein anderes Empfinden wie viel Zugluft noch gesund ist. Im hektischen Tagesgeschäft kann ich mich häufig nur oberflächlich in Themen einarbeiten, worunter die Recherche-Qualität zwar nicht leidet, ich aber aus persönlichem Interesse den Sachen mitunter gern noch tiefer nachgehen würde, die Zeit dafür aber fehlt.

Was wirklich nervt, und zwar jeden Tag, ist der Computer – ein totales Luxusproblem, natürlich. Aber ich bin ein totaler Technikmensch und bin zu Hause umgeben von Raspberry Pis und Macbooks. Seit 20 Jahren bin ich auf Linux und dem Mac unterwegs, habe dort meine wissenschaftlichen Arbeiten und einige Skripte geschrieben. Nicht wenig Geld ist über die Jahre in Software geflossen, in kleine Helferlein und größere Softwarepakete. Entsprechend sind mir Tastenbefehle, Gestensteuerung und Tastenbelegungen für Sonderzeichen in Fleisch und Blut übergegangen, vor allem auf dem Mac. Meine Hilfsprogramme vermisse ich jeden Tag. Ohne Unix-Shell bin ich nur ein halber Mensch.

Jetzt benutze ich also Windows auf einem Thinkpad. Man mag mich für einen Snob halten, aber Apple hat mich mit seiner ausgefeilten Benutzerfreundlichkeit und Liebe zum Detail wirklich verwöhnt. Versucht mal, Halbgeviertstrich, typografische Anführungszeichen oder Diakritika über die normale Tastatur einzugeben.

Die Systemtools haben nicht selten mehrere Ebenen mit unterschiedlichen Designs und Schriftarten, die an Windows2000-Zeiten erinnern. Zum Glück sieht man die selten. Über Jahrzehnte war Microsoft unfähig, den Iconzoo im Infobereich der Taskleiste aufzuräumen. Wenn man ein Fenster schließt, beendet sich das Programm. Alle Fenster haben einen gewissen Drang zum Vollbild. Jedes Fenster hat außerdem seine eigene Menüleiste. Systemweit standardisierte Bedienkonzepte oder Tastenkürzel sucht man auf dem Microsoft-System vergebens. Alles in allem eine lieblos zusammengeschluderte Oberfläche ohne jegliche Kohärenz. Wie haltet ihr das aus?

Der Laptop ist zwar brandneu, will aber ständig wegen irgendwelcher Updates neugestartet werden, läuft schnell warm, verfügt über ein miserables Trackpad und eine mittelmäßige Tastatur und ist der dickste Computer, den ich je mit mehr rumgetragen habe. Ich bin sicher, in ein paar Jahren habe ich mich an all das gewöhnt ...

Nach der Arbeit

Es gibt wenig, was mir am Ende des Tages noch im Kopf herumgeht. Feierabend ist weitestgehend Feierabend und ich denke nicht an tausende unerledigte oder angefangene Aufgaben. Die Seite muss um 15 Uhr fertig sein, was wir meistens schaffen. Danach werden die nächsten Tage geplant und dann kann man nach Hause gehen. Meistens dauert es etwas länger als es die formale Arbeitszeit vorschreiben würde, da ich die Stunden aber aufschreibe, gehen diese Stunden als Mehrarbeit in mein Stundenkonto ein. Bei Gelegenheit werde ich die also abbummeln.

Interessanterweise bin ich für ähnlich lange Zeit aus dem Haus wie noch vor ein paar Wochen. Nach Dahlem bin ich meistens gegen 8 Uhr aufgebrochen, war dann eine Stunde unterwegs und habe bei meiner 80%-Stelle meistens gegen 16 Uhr Feierabend gemacht, sodass ich nach der Rückfahrt gegen 17 Uhr zurück war.

Jetzt frühstücke ich in Ruhe, fahre eine halbe Stunde an den Askanischen Platz, bleibe dort von kurz vor neun bis 17:30 Uhr und bin häufig noch vor 18 Uhr zurück in Lichtenberg. Insgesamt ist das ein Unterschied von gerade mal einer halben Stunde. Die Bahnstrecke ist sehr zuverlässig, anders als der Südring, der jeden Nachmittag massive Probleme mit Ausfällen und Verspätungen hat.

Rückblick

Rückblickend auf meinen Entwicklungsprozess des letzten halben Jahres – angefangen vom Coaching über meine Planung der Selbstständigkeit bis hin zur eher überraschenden Stelle beim Tagesspiegel habe ich das Gefühl, die richtigen Entscheidungen getroffen zu haben. Jetzt habe ich wieder eine Perspektive und eine Tätigkeit, die mich nicht überwältigt, sondern stimuliert. Ich hoffe, dass das so bleibt.

Den Kindern ist aufgefallen, dass ich ausgeglichener bin und weniger genervt und allein dafür hat es sich doch schon gelohnt.

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