Es ist das Image, sagt Jürgen Schönstein von Geograffitico.

Und wisst ihr was? Im Großen und Ganzen hat er da Recht. Ich ergreife hier oft Partei* „für" die grüne Gentechnik und vergesse dabei: Dem Verbraucher entstehen praktisch keine direkten Vorteile durch die Technologie, die kommerziell erhältlichen Merkmale sind vor allem Erzeuger-Merkmale. Die Herbizidtoleranz erleichtert die Kultur, Pilz- und Insektenresistenz spart Pestizide, wovon vor allem der Geldbeutel und die Gesundheit der Erzeuger profitieren.

Dass insektenresistenter Mais (wie Monsanto MON810) deutlich weniger krebserregende Schimmelpilztoxine enthält, oder dass man aus Fortuna-Kartoffel längere Pommes machen kann sind bestenfalls Sekundäreffekte. Für die virusresistente Papaya, die einen ganzen Industriezweig in Hawaii rettete, und gleichzeitig auch positive Auswirkungen auf die Kultivierung von Bio-Papaya hatte, gilt das gleiche.

Medizinische Produkte wie das gentechnisch hergestellte Humaninsulin oder Lebensmittelzusatzstoffe wie von GMO-Bakterien hergestelltes Lab (für Vegetarier interessant) sind rote und weiße Gentechnik, finden praktisch ausschließlich in abgeschlossenen Laboren statt und erreichen den Konsumenten stets als hochaufgereinigter „Extrakt". Das wahrgenommene Risiko spielt hier in einer ganz anderen Liga.

Der auch von Jürgen vernachlässigte Aspekt, der immer wieder ins Gegenteil verkehrt wird, sind die positiven Umweltwirkungen gentechnisch veränderte Pflanzen. Sie sind in der Tat besser als ihr Ruf. Die Zahlen sprechen eigentlich für sich: In China ist der Pestizidbedarf kleiner Baumwollfarmen um 80% gesunken, seitdem GMO-Baumwolle eingesetzt wird. In den USA sieht es ähnlich aus, dort ist der Pestizidbedarf in der Soja- Baumwoll- und Maiskultivierung seit der GMO-Einführung ebenfalls stetig gesunken. Der Einsatz von Breitbandherbiziden wie Glyphosat, die im Boden und im Grundwasser nicht überdauern, hat gefährlichere und persistente Pestizide wie Atrazin oder Diuron abgelöst. Diese Errungenschaften werden regelmäßig geleugnet, wie etwa in diesem Report von Navdanya International, der von vielen Umweltverbänden brav wiedergekäut wurde.

Natürlich gibt es Beispiele für verbraucher-orientierte Merkmale, die sind aber entweder vor Jahrzehnten wie die FlavrSavr-Tomate gegen den Baum gefahren worden oder für uns reiche und überversorgte Westler schlicht uninteressant. Reis angereichert mit Vitamin A? Maniok mit erhöhtem Mineralstoffgehalt? Schön und gut, das sind aber Lösungsansätze für Probleme, die wir in Deutschland nicht haben.

Womit kann man den deutschen Verbraucher noch hinter dem Ofen hervorlocken? Vielleicht mit einem blutroten Royal-Gala-Apfel, der 5000 mal mehr Antioxidantien besitzt, als ein normaler Royal Gala? Höchstens, wenn man den Gentechnik-Aspekt nicht in den Vordergrund stellt.

Wie Anastasia Bodnar schilderte, gibt es eine Unmenge von fertig entwickelten Merkmalen, die wie in einer vergessenen Schatzkiste nur darauf warten, ausgehoben und kommerzialisiert zu werden. Das Problem: Sie müssen durch den „regulatorischen Falschenhals" und sind somit für die großen Konzerne uninteressant. Die Zulassungskosten und das Risiko eines Mißerfolgs am Markt sind zu hoch.

Die Gentechnik-Branche hat hier einige Parallelen zur Pharma-Industrie: Hohe Entwicklungs- und Zulassungskosten verführen zu Monopolen und unmoralischem Verhalten, um das Produkt zu schützen; nützliche Produkte werden gar nicht weiterentwickelt, weil der Markt nicht lukrativ genug ist; viel Geld wird verschwendet, weil viele Firmen parallel dasselbe entwickeln. Wäre die kommerzielle Entwicklung vor allem durch Non-Profit-Organisationen gestemmt worden, hätte man heute eine stärker an den Bedürfnissen des Verbrauchers, und weniger an denen der Hersteller orientierte Produktlandschaft. Außerdem hätten sich die Kritiker nicht auf das Bild des gierigen Kapitalisten mit Doctor-Evil-Blick und Zylinderhut zurückziehen können.

Abgesehen, dass ein ausschließlich durch Non-Profit-Organisationen oder sogar staatlich finanzierte Entwicklung ganz andere Probleme mit sich bringt: Es hätte besser laufen können.

Ja, „die Gentechnik" hat ein großes Imageproblem, und zwar nicht erst seit gestern. Aber wer hat die Schuld daran? Wirklich die „Gentechnik" selbst, weil sie am Markt vorbei produziert?

Kann man ihr nicht zumindest eine partielle Opferrolle zugestehen, in der die Angst vor ihr -- die natürliche Skepsis vor allem Unbekannten -- durch politische Parteien und Umweltverbänden gezielt ausgenutzt wurde, um das eigene Image aufzubessern? Fakt ist: Es werden gezielt Lügen und Halbwahrheiten verbreitet, um die Gentechnik als Ganzes zu miskreditieren.

Und nicht zuletzt: Verhindern nicht die gerade äußeren Umstände, allen voran die exorbitant hohen Zulassungskosten, eine Einführung von Merkmalen, die für den Verbraucher interessant sind? Ist es nicht an der Zeit, die Zulassungsbedingungen den Befunden der Realität anzupassen, fast vierzig Jahre nach der Konferenz von Asimolar?

Jürgen trifft den Kern der Sache ganz gut, wie ich finde, sein Artikel wird der Komplexität des Themas aber nicht ganz gerecht.

Anmerkungen

* Ich „ergreife Partei" für die grüne Gentechnik nicht etwa, weil ich sie für die beste Lösung für alle Probleme halte, sondern weil ich sie im öffentlichen Diskurs oft als falsch dargestellt empfinde.

Previous Post Next Post