In den letzten Tagen wurde ich häufig gefragt: Warum um alles in der Welt gibst Du einen sicheren PR-Job bei dem bekanntesten wissenschaftlichen Powerhouse Deutschlands auf? Und dazu noch, um als Freischreiber zu arbeiten, wo wir doch alle wissen, wie hart dieser Job ist? Hier der Versuch einer Antwort.
Ich gebe zu, bei der Unterschrift hätte ich mich fast verschrieben. Denn es in kalten, schwarzen Lettern vor sich zu sehen, erzeugt schon ein komisches Gefühl: Auflösungsvertrag. Belehrung über die Meldefristen bei der Agentur für Arbeit, bei Kranken-, Renten- und Sozialversicherung. Das fühlte sich ziemlich endgültig an.
Jetzt ist es also vorbei.
Statt mich als „Army of One“ um verschiedenste Aufgaben gleichzeitig zu kümmern, stürze ich mich ab dem Sommer 2023 hochfokussiert in unbekanntes Terrain, entsage damit den politischen Zwängen einer großen Organisation und natürlich leider auch einer ziemlich guten Bezahlung.
Als Einzelkämpfer für die gesamte Presse- und Öffentlichkeitsarbeit eines wissenschaftlichen Instituts stand mir die gesamte Bandbreite der Wissenschaftskommunikation zur Verfügung: Pressemitteilungen, Expertenvermittlung, interne Kommunikation und Community-Building, die Entwicklung von Kommunikationsstrategien und das selbständige Erschließen neuer Formate.
Auf Social Media hatten wir keine Präsenz, auch gab es keine interne Berichterstattung über interessante Geschehnisse am Institut. Beides musste erst aufgebaut werden. Die Füchse, die sich ständig auf dem Campus herumtreiben, sorgten immer wieder für Material für diese Kanäle. Endlich konnte ich mich zusammen mit anderen über die frechen und wunderschönen Tiere freuen!
Das Eventmanagement und die Betreuung von TV-Teams, Schülergruppen oder Politikerdelegationen waren für mich schon immer die Kröten, die ich zu schlucken hatte. Koordinations- und Organisationsaufgaben sind einfach nicht mein Ding. Ich beherrsche sie zwar – moderner Software sei Dank – aber es wollte mir nie so recht von der Hand gehen.
Was ich an dem Job aber unterschätzt habe, ist der Overhead, der sich durch das tägliche Klein-Klein anhäuft. Denn einer solchen Position bleibt all die Arbeit an einem hängen, die man als Teamleitung sonst an spezialisierte Kolleg*innen oder auch an Hilfskräfte auslagern würde: Die Pflege von Datenbanken, Copy-und-Paste-Updates von Websites und Veranstaltungskalendern oder auch die Gestaltung von Infotafeln für Digital Signage oder Flyern.
Dazu kommen solche Dinge wie Bestellungen, Bewirtungsanträge und Angebote, die man einholen muss, Termine vereinbaren, Fristen koordinieren, Freigaben, fehlenden Textbausteinen und Korrekturen hinterherlaufen, um Textbeiträge betteln und wegen ausbleibender Antworten nachhaken. You get the idea.
Am Ende des Tages war ich häufig erschöpft und hatte trotzdem nicht das Gefühl, etwas geschafft zu haben. Für wirklich Neues fehlten mir die Kapazitäten. Mir dämmerte langsam: Unter dem Strich ist ein Job in der PR gar nicht so kreativ.
Der Wunsch, mich nach meinen persönlichen Vorlieben zu entfalten, wurde im letzten Jahr immer stärker. Ich sehnte mich zu meinen besten Zeiten als Blogger zurück, als ich meine eigene Themen und Projekte verfolgte. Mit einigen tagesaktuellen Artikeln hatte ich vor gut zehn Jahren einen ziemlichen Impact.
Dass ich im Journalismus grundsätzlich überleben könnte und auch genügend Ideen für Themen hätte, hatte ich während meines Tagesspiegel-Praktikums gemerkt. War es ein Fehler, diesen Weg nicht weiter verfolgt zu haben?
Allein ist man außerdem recht … einsam. Klar, viele Entscheidungen kann ich als Einzelkämpfer treffen, ohne mich abzustimmen. Das ist praktisch. Doch ohne Kollegen, mit denen man Ideen hin- und herspielen, auf Augenhöhe Projekte und Kampagnen planen, oder einfach Aufgaben untereinander aufteilen kann, kamen mir immer wieder Selbstzweifel.
Die Nachteile, nicht in ein Kollektiv aus Peers eingebunden zu sein, habe ich ganz klar unterschätzt. Noch eine Lektion, die ich gelernt habe: Ich bin offenbar doch sozialer veranlagt, als ich selbst gedacht hätte. In dieser Hinsicht würde ich mich als Soloselbständiger jedenfalls nicht verbessern!
Warum soll es aber trotzdem die Freiberuflichkeit werden? Im Grunde besinne ich mich damit auf meine Wurzeln. Ich werde meine Themen aufarbeiten, Forschungsergebnisse und Expertisen kritisch einordnen und hoffentlich meine Erfahrung aus den letzten 15 Jahren meines Lebens einfließen lassen.
Mindestens werde ich so mein berufliches Portfolio erweitern. Sollte das Experiment scheitern, wäre das auch OK. Denn sollte es mich irgendwann doch zurück in die PR ziehen, würde ich von diesem Erfahrungen profitieren.
Momentan befinde ich mich mitten in der Planungsphase, knobele an Kostenplänen, Versicherungen und Listen möglicher Kunden. Außerdem will ich mir feste Meilensteine setzen. So kann ich früh genug aussteigen, wenn ich in eine Sackgasse steuere.
In jedem Fall liegt eine erfahrungsreiche Zeit vor mir. Der Abschied von meiner bisherigen Position schmerzt zwar. Aber ich weiß, dass ich es bereuen würde, wenn ich es nicht versucht hätte. Und ich freue mich darauf.