Update: Es gibt eine Online-Petition „Lernen Sie das Schulprojekt HannoverGen kennen, bevor Sie es beenden, Herr Weil!" gegen die Schließung, die hier unterzeichnet werden kann. 

„Das Projekt HannoverGEN wird beendet" -- mit diesem lapidaren Satz stampft die neue rot-grüne Regierung von Niedersachsen ein Vorzeigeprojekt ein, was wegen seines Erfolgs eigentlich sogar auf das gesamte Bundesland ausgeweitet werden sollte. Seit 2008 können Schüler hier an „Stützpunktschulen" selbst u.a. molekularbiologische Experimente durchführen. Man könnte auch sagen, dass sie etwas über Gentechnik lernen. Und da liegt der Hase im Pfeffer: Gentechnik ist unerwünscht in Deutschland. Man könnte auch vermuten, mit dem Schüren von Ängsten lasse sich prima auf Stimmenfang gehen.

Die notorischen Gentechnikgegner Greenpeace und das Bündnis für Gentechnikfreie Landwirtschaft Niedersachsen (BGL) behaupteten zwar von Anfang an, das Projekt diene nur zur „Akzeptanzbeschaffung" für Gentechnik auf dem Acker, blieb einen Nachweis dafür allerdings bis zuletzt schuldig. Es wurde bei dem Umweltchemiker Heribert Wefers eine „Hintergrundstudie" beauftragt, die beweisen sollte, dass es bei HannoverGEN nicht mit rechten Dingen zugeht und man der Agro-Lobby nach dem Mund redet. Diese Studie ergab natürlich das gewünschte Ergebnis und wird auch fleißig von den Kritikern des Projektes herangezogen.

Pikant dabei ist, dass man den Vorwurf des Lobbyismus auf die Initiatoren der Studie umkehren kann. Diese wurde nämlich von den Firmen Demeter, Naturland und Naturkost Nord mitfinanziert (Link zum PDF, siehe Seite 2), und damit ergibt sich ein handfester Interessenskonflikt. Dazu kommt, dass die Projektleitung von HannoverGEN schwere handwerkliche und sachliche Fehler in der Studie ausgemacht haben will. So würden bei den Zitaten aus vermeintlichen Unterrichtsmaterialien ganze Sätze ausgelassen, ohne dies überhaupt kenntlich zu machen und es werden Contra-Argumente zur Gentechnik unterschlagen. Damit sollte auf Biegen und Brechen eine Einseitigkeit bewiesen werden, die so gar nicht vorhanden sei. Außerdem zitiert Wefers völlig falsches Material, hatte gar keinen Einblick in die wirklich verwendeten Unterrichtsunterlagen, hielt es nicht für nötig, Projektbeteiligte zu kontaktieren und somit letztlich wohl kaum die Fähigkeit, das Projekt überhaupt zu beurteilen.

Ganz im Widerspruch zu diesen Darstellungen wurde das fast vollständig landesgefördert und damit finanziell unabhängige HannoverGEN im Jahre 2011 positiv evaluiert und sogar im Rahmen des Programms "Deutschland -- Land der Ideen" als „Besonderer Ort" ausgezeichnet. Interessanterweise wurde dabei gelobt, wie groß die Rolle der Kritik an der Technologie war (wie etwa bei bioethischen Fragen).

Dass Greenpeace und Biokost-Firmen davon profitieren, dass vorerst unkritische Bürger_innen nichts über Gentechnik und Molekularbiologie lernen und unkritisch bleiben, liegt auf der Hand. Dass aber eine Landesregierung ein so offenkundig nützliches Projekt mit einem Satz vom Tisch wischen will, geht mir nicht in den Kopf.

***


 

Inzwischen macht der Beschluss in der Koalitionsvereinbarung einige Wellen und es gibt Stellungnahmen von Projektbeteilgten, Kritikern, Schülerlaboren, Wissenschaftlern, Interessenverbänden und Journalisten. Auch einige traditionelle Medien haben nach einigen Tagen das Thema aufgegriffen. Ich möchte kritische Beiträge in einer „Medienschau" sammeln und diese Liste ständig erweitern. Deshalb bin ich über jedes weitere offizielle Statement und jeden Bericht, der mir mitgeteilt wird, froh.

Inzwischen gibt es eine Petition gegen die Schließung HannoverGENs.

Weiter unten gibt es die Quellen zu oben genannten Akteuren: SPD/Grüne, HannoverGEN, Greenpeace, AbL.

Kritische Stellungnahmen, Meinungen und Berichte

Wiebke Rathje, wissenschaftliche Projektmitarbeiterin in einem persönlichen Kommentar unter einem Artikel von Lars Fischer:

Ich bin wissenschaftliche Projektmitarbeiterin von HannoverGEN und musste erfahren, wie von einzelnen Interessengruppen eine Vorverurteilung vorgenommen wurde, ohne sich jemals ernsthaft mit uns und dem Projekt auseinanderzusetzen. Hätten die Kritiker unsere Einladungen zu einem Besuch eines Labortags mit Schülern angenommen, hätten sie feststellen können, dass gerade wir die Schüler überhaupt erst auf das Konfliktfeld Gentechnik im allgemeinen und die Grüne Gentechnik im speziellen aufmerksam machen (im übrigen bieten wir nicht nur Labortage zur Grünen Gentechnik an, sondern auch zu Evolution, Phylogenetik, Krebsforschung, Insulinherstellung etc.). Sie hätten feststellen können, wie das eigene Experimentieren Schüler motiviert und das Fachwissen und Interesse an Naturwissenschaften fördert. Sie hätten feststellen können, dass begleitende Studien belegen, dass ein HannoverGEN-Besuch nicht zu einer Meinungsveränderung hinsichtlich Grüner Gentechnik bei Schülern führt. Und sie hätten feststellen können, dass es uns auch gar nicht interessiert, ob Schüler eine befürwortende oder kritische Meinung bilden.

Gerd Spelsberg in "Gute Gene, schlechte Gene": „Seid nicht so neugierig"

Wenn nun die neue Landesregierung das Projekt beendet, wird mehr kaputt gemacht als die Labore an den vier Stützpunktschulen. Es spielt keine Rolle mehr, was die Schüler dort tatsächlich machten, welche Experimente sie durchführten oder wie sie über Möglichkeiten und Grenzen gentechnischer Verfahren diskutierten. Es interessiert auch nicht, dass sich die Schüler mit konkreten GVO-Produkten wie der Amflora-Kartoffel oder dem Bt-Mais MON810 beschäftigten und am Ende zu ganz unterschiedlichen, aber „informierten" Bewertungen kamen. [...] Die Anti-Gentechnik-Szene und mit ihr SPD und Grüne haben um die Gentechnik eine moralische Tabuzone errichtet, die sie mit Verboten und Verhaltensmaßregeln absichern:„Das darfst Du nicht", „Das hat Dich nicht zu interessieren", „Lass die Finger davon". [...] Das Aus für HannoverGEN verwehrt den Schülern, aus eigener Anschauung zu urteilen.

Science Bridge e.V., Schülerlabor in Kassel: „Gentechnikfreier Schulunterricht?"

Was Gentechnik kann und was nicht und wie die Technologie zu bewerten ist, hat HannoverGen mit professioneller ethischer und didaktischer Unterstützung vermittelt. [...] Science Bridge stellt seit mehr als 15 Jahren fest, dass Praxisunterricht in der Schule nicht nur das Verständnis für die moderne Biologie sondern auch die Bewertungskompetenzen verbessert. Zu fordern wäre [...] eine flächendeckende Unterstützung durch kompetente Schülerlabore [...]. Die ideologisch bedingte Einschränkung von Bildung ist kontraproduktiv.

Hier auch mit einer Einladung an Greenpeace und die Bündnis-Grünen, die Science-Bridge-Labore zu besuchen: 

 Science Bridge ist ein Schülerlabor, das seit ca. 15 Jahren gentechnische Experimente an Schulen in Nord- und Mittelhessen durchführt (http://www.sciencebridge.net). Um Irritationen wie bei HannoverGen in Niedersachsen zu vermeiden, bietet Science Bridge e.V. Ihnen eine Mitarbeit in unserem Schülerlabor an. Damit können Sie dazu beitragen, dass die von Ihnen geforderte ausgewogene Ausbildung gewährleistet wird. 

VBIO, Verband Biologie, Biowissenschaften & Biomedizin in Deutschland: „Hauptsache Gentechnikfrei? -- Biologie-Schülerlabore hinterfragen niedersächsischen Koalitionsvertrag"

Mangelnde Differenzierung, prekäres Grundlagenwissen und diffuse Ängste erschweren eine rationale Bewertung der Gentechnik. Schülerlabore machen gentechnische Methoden, ihre Chancen und ihre Risiken erfahrbar. Sie tragen so zu einem soliden Wissen bei, das eine essentielle Basis für eine Bewertung ist. Die im Koalitionsvertrag vorgesehene Schließung des Schülerlabor-Projektes HannoverGen ist daher kontraproduktiv.

GPZ, Gesellschaft für Pflanzenzüchtung e.V.: „Stellungnahme"

Die politisch verordnete Beendigung eines erfolgreichen Projektes zur Vermittlung von Kenntnissen moderner molekularbiologischer Forschung (HannoverGEN) ist ein schlimmes Signal. Offensichtlich soll verhindert werden, dass (junge) Menschen sich einen Eindruck von dieser Technologie verschaffen können.

Prof. David Tribe aka „GMO Pundit": „Not once upon a time, Germany is a place where the thought police operate-- today. Not 80 years ago"

So the conclusion is that a really excellent teaching project is being shut down for political or anti-GMO ideological reasons and this is a tremendous loss for the schools in and around Hannover. Political parties and Greenpeace have distinguished themselves as the fighters of Big Agro once more and this is going to hurt science in Germany a lot.

Lars Fischer, Spektrum.de: „Besser nichts wissen"

Einen echten Beleg für die vermutete problematische Einflussnahme seitens der Industrie bleiben die Kritiker des Projekts bislang schuldig, stattdessen müssen die beteiligten Pädagogen wüste Beschimpfungen über sich ergehen lassen: Von "Gehirnwäsche" ist die Rede, welche die Lehrer dort betreiben würden. [...] Um inhaltliche Fragen scheint es im Grunde sowieso nicht zu gehen. Die Kritiker von HannoverGEN fordern nicht etwa eine ausgewogenere Darstellung mit überarbeiteten Unterrichtsmaterialien -- das Projekt muss unbedingt ganz gestoppt werden. [...] Diese Episode ist ein weiteres Beispiel dafür, wie die legitime Kritik an Gentechnik in der Landwirtschaft zunehmend in einen gefährlichen Fundamentalismus umschlägt, der sich einer informierten Diskussion mehr und mehr verweigert. Eine eigene Meinung scheinen die Kritiker von HannoverGEN weder Schülern noch Lehrern zuzutrauen, und Letzteren schon gar keinen unabhängigen Unterricht.

Emanuel Wyler, SPD-Mitglied und Postdoc an einem Helmholtz-Institut, in einem Text an die Sprecher_innen Kultus und Wissenschaft der SPD Niedersachsen: „Hannover und die Gene"

 Die Kritik von Greenpeace mag durchaus berechtigt sein, dafür kenne ich das Projekt zuwenig. Ich glaube aber, dass der praktische Teil von HannoverGEN in den Schullaboren in einem Folgeprojekt unabhängig bzw. getrennt von dem Unterricht zu grüner Gentechnik  weitergeführt werden sollte.

Ludger Weß, Die Achse des Guten: „Das Niedersachsen-Gen":

Auch die Physik sollte gründlich entrümpelt werden. Kenntnisse der Kernphysik und des atomaren Zerfalls können Schüler nur auf dumme Gedanken bringen -- ein Skandal, dass der Atomausstieg an den Schulen noch gar nicht begonnen hat! Schulen sollten kernwaffen- und atomenergiefreie Zonen werden, mit allen Konsequenzen. Es reicht, wenn die Schüler um die entsetzlichen Gefahren von Atom-, Röntgen- und Handystrahlung wissen; physikalische Hintergründe sind hier nur verwirrend.

Der österreichische Chemie-Report berichtet:

Im Koalitionsvertrag ist festgelegt worden, Niedersachsen „gentechnikfrei" zu halten. Dabei soll offensichtlich nicht nur der Anbau gentechnisch veränderter Organsimen verhindert werden, sondern auch, dass Schüler überhaupt Informationen über die Thematik erhalten, um sich selbst eine Meinung zu bilden. Die Politik springt hierbei auf einen schon seit längerem von Greenpeace und dem Bündnis für Gentechnikfreie Landwirtschaft Niedersachsen erhobenen Vorwurf auf, das Projekt diene lediglich der „Akzeptanzbeschaffung für die Agro-Gentechnik".

 

Hannoversche Allgemeine, 01.03.2013: „Laborversuch mit ungewissem Ausgang":

Die neue Landesregierung will das Projekt „HannoverGEN" stoppen -- aber die wissbegierigen Schüler verteidigen ihre Labore. [...] Die Regierungskoalition von SPD und Grünen stellt die vier Schülerlabore des Projekts „HannoverGEN" unter Generalverdacht. [...] Schüler und Lehrer, die die Labore aus eigener Anschauung kennen, wundern sich über die Argumente der Kritiker, zu denen auch Greenpeace zählt. [...] Die Laborkritiker bemängeln, dass Forscher aus der Agrar-Gentechnik bei der Entwicklung von „HannoverGEN" maßgeblich beteiligt waren. Drei Prozent der Finanzierung kamen aus der Wirtschaft, auch vom Saatguthersteller KWS, der wegen Versuchen mit gentechnisch verändertem Saatgut umstritten ist. Doch die meisten Kritiker scheinen sich den realen Unterricht nie angesehen zu haben, so berichten die beteiligten Lehrer. 

Der Spiegel lässt am 2. März beide Seiten der Debatte zu Wort kommen, schließt allerdings mit einem höchst provokativen Schlusssatz, der HannoverGEN-Beteiligten finanzielle Motive unterstellt: 

Im Sommer ist Schluss mit Hightech im niedersächsischen Biounterricht: Die neue rot-grüne Landesregierung beendet im Anti-Gentechnik-Überschwang ein Schulprojekt, das unter Lobbyismusverdacht steht. Viele Schüler sind deshalb mächtig sauer.

Der Tagesspiegel und sein großartiger Kai Kupferschmidt finden scharfe und eindeutige Worte unter der Überschrift „Ideologie statt Aufklärung" (erschien auch bei ZEIT ONLINE):

Man muss sich das einmal auf der Zunge zergehen lassen: Da versuchen also Lehrer und Schüler gegen den Widerstand der Politik, Erfahrungen machen zu dürfen mit einer Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts. Nicht jede Unterrichtsstunde über den Holocaust produziert Antisemiten. Und nicht jeder Schüler, der einmal im Genlabor gestanden hat, wird deshalb später bei Monsanto arbeiten. 

Das Laborjournal kündigt einen Artikel in der kommenden Print-Ausgabe ihres Life-Science-Magazin an, interviewte dazu Wolfgang Nellen von Science-Bridge, und gibt einen Vorgeschmack auf ihrer Website und in ihrem Blog

Beim Blick in die Studie [von Wefers] selbst kann einem tatsächlich schon mal angst und bange werden, auf welchen Grundlagen in unserem Lande teilweise politische Entscheidungen getroffen werden. [...] Wobei es inzwischen um mehr geht als nur um HannoverGEN alleine. Es geht vielmehr um das generelle Signal, ob in Deutschland überhaupt echte und vorurteilsfreie wissensbasierte Bildung ermöglicht werden soll.

SCIENCE in der Sektion „News of the week -- around the world":

The project, which started in 2008, was seen as a success by the previous government, which planned to expand it to 100 schools. However, Greenpeace and other NGOs claimed that the learning materials gave a biased view of the debate about genetic engineering. The new government adopted that view and resolved in its coalition agreement to end the project. 

Die Neue Presse berichtet, dass die SPD der Sache offen gegenüber steht:

„Ich kann mir vorstellen, darüber noch mal ein Gespräch zu führen", sagte Claus Peter Poppe, kultuspolitischer Sprecher der SPD-Landagsfraktion. Man wolle „dialogiorientiert" nach einer „Regelungsmöglichkeit" suchen.

Die TAZ ergreift mit „Lobbying in Niedersachsen -- Shitstorm aus dem Klassenzimmer" die Gelegenheit, um Industrie-Beeinflussung zu unterstellen, Schüler als unmündig darzustellen und die Greenpeace-Studie nicht kritisch zu hunterfragen:

Es ist ein Satz im Koalitionsvertrag, mit dem sich Niedersachsens neue rot-grüne Landesregierung eine erste Protestwelle eingehandelt hat. „Das Projekt HannoverGen wird beendet", heißt es dort. Prompt schlagen Befürworter des Schulprojekts zur sogenannten Grünen Gentechnik Alarm. Eine Petition, initiiert von beteiligten Lehrern und Wissenschaftlern, hat bereits fast 3.000 Unterzeichner. Auf den Facebook-Seiten von SPD und Grünen gehen Hunderte empörte Kommentare ein, viele von Schülern.

An anderer Stelle schreibt die TAZ andererseits positiv über das Projekt:

Viele niedersächsische Schüler wollen auch in Zukunft mit der Gentechnik experimentieren können. Ihnen diese Möglichkeit zu verweigern, weil sie manipuliert werden könnten, ist ein Fehler. [...] Die Gentechnik ist nun einmal in der Welt. Es führt kein Weg daran vorbei, dass sich die Schule damit auseinandersetzt. 


Standpunkte der direkt involvierten Akteure

Koalitionsvertrag SPD und Grüne:

Gentechnikfreies Niedersachsen Im Verbund mit der Landwirtschaft wird die rot-grüne Koalition alle Möglichkeiten ausschöpfen, Niedersachsen gentechnikfrei zu halten und dafür keine Fördermittel bereitstellen. Im Bundesrat wird sich die Landesregierung dafür einsetzen, dass es keine weiteren Lockerungen am derzeitigen Gentechnikgesetz geben wird und die Verursacher entsprechender Kontaminationen zum Schadenersatz herangezogen werden. Niedersachsen wird dem Bündnis der gentechnikfreien Regionen beitreten. Die rot-grüne Koalition wird dafür sorgen, dass auf landeseigenen Flächen keine Gentechnik eingesetzt werden darf. Sie setzt sich dafür ein, dass jede Verunreinigung von Saatgut, Futter- und Lebensmitteln durch gentechnisch veränderte Organismen im Sinne einer echten Null-Toleranz vermieden wird. Damit die Verbraucherinnen und Verbraucher die klare Wahl haben, soll eine Kennzeichnung erfolgen. Dazu gehört auch eine Positiv-Kennzeichnung tierischer Produkte, die nachweislich ohne den Einsatz gentechnisch veränderter Futtermittel erzeugt werden. Das Projekt HannoverGEN wird beendet. [Hervorhebung von mir]

Website der Grünen Niedersachsen:

Gentechnik in der Landwirtschaft ist eine Risikotechnologie. [...] Die CDU/FDP-Landesregierung fördert jedoch als eine der letzten gegen den Willen der VerbraucherInnen die Agro-Gentechnik mit Millionensummen. So wurden Freisetzungen genmanipulierter Zuckerrüben bei Northeim genauso gefördert wie ein einseitiges Akzeptanzbeschaffungsprogramm für genmanipulierte Lebensmittel an niedersächsischen Schulen (HannoverGen). [...] Mit dem Projekt NiedersachsenGen -- also mit Genlaboren an Schulen in jedem Landkreis für 15 Millionen Euro -- versucht sie, die Akzeptanz für genmanipulierte Lebensmittel zu erhöhen. Wir wollen die einseitige Gentechnik-Propaganda der Landesregierung beenden.

Greenpeace: „Erst in die Köpfe, dann auf den Teller!"

Der Ansatz von HannoverGEN mag daher auf den ersten Blick begrüßenswert erscheinen, doch eine genauere Auseinandersetzung mit der Entstehung, den Rahmen und Inhalten des Projektes zeigt, dass es sich um einen skandalösen Versuch der Landesregierung handelt, mit höchst zweifelhaften Methoden mehr Akzeptanz für die Gentechnik in Niedersachsen zu schaffen. [an dieser Stelle folgt der Verweis auf eine „Hintergrundstudie", erstellt von Heribert Wefers verwiesen] [...] Greenpeace Hannover hat nichts gegen einen modernen Biologie- Unterricht. Parteipolitik und einseitige Akzeptanzschaffung haben in der Schule allerdings nichts zu suchen!

Hintergrundstudie, die der Biologe und Umweltchemiker Dr. Heribert Wefers im Auftrag des Bündnis für Gentechnikfreie Landwirtschaft Niedersachsen durchgeführt hat: „Keine Akzeptanzbeschaffung für Agro-Gentechnik in den Schulen! HannoverGEN und NiedersachsenGEN stoppen!"

Im vorliegenden Papier wird gezeigt, dass HannoverGEN den eigenen Ansprüchen nicht gerecht wird. Sachliche Grundlagen für eine Bewertung werden einseitig und suggestiv eingebracht, wichtige Aspekte werden ausgeblendet. Die ethischen Bewertungen reflektieren die gesellschaftliche Realität und zugrundeliegende Wertesysteme nur unzureichend. Konsequenz der aufgezeigten Defizite ist die voraussagbare und einseitig positive Bewertung der Agro-Gentechnik. Muss sich die Landesregierung vorwerfen lassen, mit diesem Projekt steuerfinanzierte Akzeptanzbeschaffung für die Agro-Gentechnik zu betreiben?

HannoverGEN und die Projektleiterin Wiebke Rathje„Stellungnahme zur Studie zum Modellprojekt HannoverGEN „Keine Akzeptanzbeschaffung für Agro-Gentechnik in den Schulen!", herausgegeben vom Bündnis für Gentechnikfreie Landwirtschaft"

Wir dagegen halten fest, dass er keinerlei Einblick in das Projekt hatte und daher gar nicht in der Lage ist zu beurteilen, welche Aspekte und Kriterien bei HannoverGEN angesprochen werden. Die von Herrn Dr. Wefers erstellte Auftragsarbeit weist gravierende wissenschaftliche Mängel in der Vorgehensweise auf und kann keinerlei realen Projektbezug vorweisen. Die selbst gewählte Bezeichnung „Hintergrundstudie" verdient sie nicht.

Der Autor hat zu keinem Zeitpunkt das Gespräch mit Akteuren und Projektbeteiligten von HannoverGEN gesucht: Er hat weder Unterrichtsmaterialien angefordert, noch eine Einladung zu einem Besuch von HannoverGEN-Labortagen angefragt oder Interviews mit Projektbeteiligten, Lehrern und Schülern durchgeführt. [...] Der Autor zieht [...] Materialien aus dem Downloadbereich des HannoverGEN-Internetportals heran. Diese Materialien mit wurden von dem niedersächsischen Kultusministerium herausgegebenen. Es handelt sich also nicht um die Unterrichtsmaterialien von HannoverGEN. [...] Die eigentlichen HannoverGEN-Unterrichtsmaterialien wurden daher in der Studie überhaupt nicht berücksichtigt. [...] [Die Schullabore] machen inhaltlich und materiell aufwändige allgemeine biotechnologische Versuche zu sehr unterschiedlichen Themengebieten erst möglich und sind keineswegs nur für „grüne Gentechnik" geeignet. [Der Autor] unterschlägt [...] ebenfalls angegebenen Contra-Argumente, die in gleicher Anzahl und Gewichtung vorkommen. [...] [Es wird] aus dem Text zitiert, ohne fehlende Passagen innerhalb des Zitats kenntlich zu machen. 

Greenpeace bezog inzwischen Stellung auf das obige Schreiben: „Entgegnung zur Stellungnahme zweier HannoverGEN-Beteiligter". Es fällt auf, dass nichts auf den Vorwurf der entstellenden Zitierweise durch Wefers entgegnet werden kann. Ungewöhnlich ist, wie die Stellungnahme der HannoverGEN-Projektleitung zu einer Meinung von Einzelpersonen heruntergespielt wird. Ebenso könnte man die Arbeit von Heribert Wefers auch als „Stellungnahme eines ehemaligen NABU-Mitarbeiters" bezeichnen. 

Die Wilhelm-Raabe-Schule, eine der beteilgten Projektschulen in ihrem Newsletter:

Von den vielen Versuchen bezieht sich tatsächlich ein einziger auf das Erkennen von genmanipuliertem Material. Die von Greenpeace-Aktivisten unterstellte Indoktrination für genmanipulierte Lebensmittel ist von schlichter Unkenntnis dessen geprägt, was im Unterricht wirklich passierte, und unterstellt gleichzeitig unseren Lernen- den pauschal einen gewissen Grad von Dummheit, sich beeinflussen zu lassen. Statt didaktisch kontrol- lierter, objektiver Behandlung im Unterricht verbietet der Koalitionsvertrag lieber die Behandlung des komplexen Themas im Labor grundsätzlich. Frei nach dem Motto: „Wenn die Wirklichkeit nicht zu meiner Theorie passt, ist eben Wirklichkeit falsch!" 

Saskia O., Schülerin, in einem Kommentar auf der Facebook-Seite der SPD Niedersachsen und bei den Grünen:

Ich als Schülerin finde es unmöglich, uns Wissen über etwas vorzuenthalten, was in unserer Wirtschaft so von Bedeutung ist und mit dem wir täglich in Kontakt kommen. [...] Greenpeace und die schnell aufgesprungenen Unterstützer haben sich offensichtlich nicht richtig über die Unterrichtseinheiten der Genlabore informiert, denn dort wird neben den Experimenten auch gelehrt, wie man kritisch bewertet und auf ethischer Grundlage diskutiert. Womöglich liegt es ja auch nur am Namen, der falsch verstanden wird. Erscheint es Politikern deshalb unnötig, sich genauer mit der Materie auseinander zu setzen? [...] In der Unterrichtseinheit werden wir keine Schafe klonen oder für die Umwelt schädlichen Substanzen verursachen. Zu verhindern, sich weiterzubilden finde ich dagegen stark zurechtweisend und nehme es als eine gezielte Vermeidung der Konfrontation war. 

Schüler von beteiligten Schulen, auf der Facebook-Seite der Grünen (Niedersachsen):

Vincenz D.: „Es ist ja nicht so, dass uns gezeigt wird, was man mit Gentechnologie alles "tolles" machen kann, uns wird lediglich gezeigt, WAS Gentechnik überhaupt ist- und zwar nicht in langweilig-theoretischem Unterricht, sondern "hautnah". Außerdem wird anschließend im Unterricht stehts über Gentechnik auf ethnischer Basis debattiert."

Christina P.: „Die Labortage dienen nicht dazu, uns eine gentechnikfreundliche Meinung einzupflanzen, sondern die Vorgehensweise auf anschauliche Weise nachvollziehbar zu präsentieren und uns anschließend ein EIGENES Urteil darüber zu bilden. [...] Wenn Sie unter Berufung auf Untersuchungen zu dem Thema, die eindeutig von voreingenommener Seite (beispielsweise dem Bündnis für GENTECHNIKFREIE Landwirtschaft, welches Sie in Ihrer Begründung anführen) stammen, zu dem Schluss kommen, die HannoverGEN Labore müssten geschlossen werden, wäre es vielleicht angeraten, sich zuerst selbst einen Eindruck von der Arbeit in den HannoverGEN Laboren zu verschaffen."

Odinssohn C.: „Ich stelle viel eher fest, dass ich beigebracht kriege: Gentechnik ist Scheiße und das wars. Mir wird dadurch das RECHT auf BILDUNG ENTZOGEN und ich kann mir keine FREIE MEINUNG BILDEN, sonder nur das nachlaber, was meine Regierung mir vorlabert."

Conny A.: „Ich hatte mich sehr darauf gefreut, dieses Schuljahr endlich in unser Genlabor zu gehen, aus den oben genannten Gründen meiner Mitschüler! Und nun muss ich erfahren, dass diese tolle Art uns das Thema Gentechnik beizubringen gestrichen wird!!"

Klaudia H.: „ Mir scheint es, dass eure größte Sorge wäre, wir alle würden eine Pro-Gentechnik-Meinung entwickeln, die Ihnen nicht passt. Doch es bringt nichts, uns die Möglichkeit zu nehmen, uns umfangreich darüber zu informieren. [...] Anstatt das Labor schließen zu lassen, sollte eine größere Aufklärung und Diskussion eingeführt werden. Eine hohe Transparenz ist wichtig, wie sonst sollen wir uns unsere eigene Meinung bilden? " 

Rasha I.: „Ihre Begründung, dass dieses Projekt dazu diene, uns von der Gentechnologie zu überzeugen, ist eine der typischen pauschalen Äußerungen, die in unseren Medien zu oft erwähnt werden. [...] Mit einer solchen Art von Beschlüssen, wenige Wochen nach der Wahl, machen Sie und Ihre Partei sich bei jungen Leuten wie uns nicht gerade beliebt."

Mikhail R.: „In unserer Klasse ging es im Grunde um nichts anderes als die Feststellung von Genmanipulationen, und das ohne irgendeine Wertung oder gar Verherrlichung.Ich bin durch die Arbeit im Genlabor der Gentechnik gegenüber nur kritischer geworden, und aus einem Gegner der Gentechnik könnte es m.E. niemals einen Befürworter machen."

Ann-Kathrin L.: „Dass sie uns Schülern damit außerdem die Unfähigkeit mit ethischen Fragestellungen umzugehen unbegründet zuschreiben ist die eine Sache, welche absolut unakzeptabel ist. Aber eine solche Entscheidung nicht einmal begründen zu können, sollte uns beunruhigen."

Tim Siaden O.: „[W]enn ich mir den empfohlenen Link angucke den sie Herr Voss gepostet haben kann ich nur den Kopf schütteln. [...] Wer sich jedoch mit einem eigenen Urteil auseinandersetzt und zwar so wie es uns im Unterricht gezeigt wird, der merkt schnell, dass es überwiegend negative Aspekte sind, die die positiven wirtschaftlichen Interessen "beiseite wischen" (Wortwahl Herr Dr. Wefers)"

Hauke W.: „[Bezugnehmend auf die Auftragsstudie von Wefers:] Und auch das Resümee dieses Textes ist für den Leser sehr amüsant: Der Autor eines Textes, welcher neutralität verspricht, aber sich von ausgewiesenen Gentechnikgegnern finanziell unterstützen lässt behauptet HannoverGEN würde den eigenen Ansprüchen nicht gerecht. Dazu fällt mir als erstes der Spruch ein, man solle zuerst vor der eigenen Haustür kehren. [...] HALTEN SIE UNS FÜR DUMM???"

Und noch viele weitere Kommentare von aufgebrachten Schülern, die inzwischen sogar Unterschriftenaktionen initiiert haben.

Der neue grüne Agrarminister Christian Meyer äußert sich, wie die Neue Presse am 13.03. berichtet:

Wir werden den Vertrag wie geplant zum Sommer auslaufen lassen. [...] Es wird nicht als Projekt ,HannoverGen' weitergeführt. Nicht mit dieser Rolle und nicht mit dem Projektnehmer von der Universität Hannover.

Die Opposition bzw. der niedersächsische CDU-Chef Jörg Hillmer kritisierte in einer „Aktuellen" Stunde die Schließung, wie der Bundespressedienst am 13.03. berichtet:

Obwohl eine der betroffenen Schulen in direkter Nachbarschaft zur Staatskanzlei liege, sei Ministerpräsident Weil der Einladung der Schülerinnen und Schüler, sich vor Ort selbst ein Bild von dem Projekt zu machen, bislang nicht gefolgt. „Auch die zuständige Kultusministerin ist in der Diskussion um HannoverGEN tief abgetaucht." [...] Hillmer warf der Landesregierung vor, bewusst Ängste zu schüren um ihre politischen Ziele durchzusetzen.

Vorheriger Beitrag Nächster Beitrag