Für eine vegetarische oder vegane Lebensweise gibt es viele Beweggründe. Aus meiner Erfahrung spielt aber die Minimierung von Umwelteffekten oftmals eine große Rolle, sowie die moralische Überlegung, dass man fühlende Wesen nicht quälen oder töten darf. Zumindest den Umweltaspekt haben diese beiden Weltanschauungen gemein. Die Überschneidung der Kundenkreise „Bio-Käufer" und „Veganer" ist damit vermutlich nicht klein.

Und wo Bio ist, kann der spirituelle Guru Rudolf Steiner auch nicht weit sein und damit fangen die Probleme an, die mit einer tierleidfreien Weltanschauung kaum in Einklang zu bringen sind. Steiner begründete zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts die biologisch-dynamische Landwirtschaft, eingebettet in seine okkulte Lehre „Anthroposophie". Bio-dyn beruht auf seltsamen Ritualen und Astrologie, die vor allem auf den Einklang vom Menschen mit den Rhythmen des Kosmos und Natur, sowie der Rückkehr aus der Industrialisierung in die Tradition abzielen. Sie gilt als eine Keimzelle für die moderne „organisch-biologische" Landwirtschaft, die den weitgehenden Verzicht auf synthetische Düngemittel und Pestizide und den sparsamen Umgang von Medikamenten beinhaltet. Sie hat eine Minimierung von Umweltschäden zum Leitmotiv und ist seit einigen Jahrzehnten auf einem guten Weg, sich von ihrem okkult-religiösen Erbe zu emanzipieren und zu einer wissenschaftlich basierten Wirtschaftsweise zu werden. Die Landwirtschaft der Zukunft wird umweltschonend sein müssen, vermehrt auf den verantwortungsvollen Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden fokussiert sein und damit einige Merkmale der heutigen Bio-Landwirtschaft haben.

Bio-dyn hat ein anderes Leitbild, denn hier geschieht der Umweltschutz quasi nur nebenbei. Die vielen magischen Rituale entstammen Steiners umfassender esoterischen Philosophie und dienen der Herstellung von besonders beseelten Lebensmitteln in sogenannter „Demeter-Qualität". In Steiners Lehre nehmen die Gestirne eine zentrale Position ein, was auch für bio-dynamische Landwirtschaft gilt. So bestimmen die „Rhythmen" der Planeten und des Mondes die Zeitpunkte für Aussaat oder Anpflanzung. Astrologie und Mondkalender gehören demnach zur Grundausstattung des linientreuen Demeter-Bauern. Eine weitere zentrale Säule bildet eine Reihe von bio-dynamischen Präparaten, die die kosmischen Einflüsse auf dem Feld verbessern sollen.

In einem Vortrag beschreibt Steiner detailliert, wie Dünger -- idealerweise Kuhmist -- in ein Kuhhorn gestopft werden soll, dann über einen Winter in der Erde vergraben, dann wieder ausgegraben, der Inhalt von Hand in Wasser mit kreisförmigen Bewegungen in einem schweizer Melkeimer angerührt und auf dem Feld quasi homöopathisch versprüht werden soll. Das Abseihen durch ein Sieb ist erlaubt, und für optimale Effekte sollte man Hörner von frisch geschlachteten, nicht zu jungen und nicht zu alten weiblichen Tieren nehmen.

Sehen Sie, dadurch, daß wir nun das Kuhhorn mit seinem Mistinhalt eingegraben haben, dadurch konservieren wir im Kuhhorn drinnen die Kräfte, die das Kuhhorn gewohnt war, in der Kuh selber auszuüben, nämlich rückzustrahlen dasjenige, was Belebendes und Astralisches ist. Dadurch, daß das Kuhhorn äußerlich von der Erde umgeben ist, strahlen alle Strahlen in seine innere Höhlung hinein, die im Sinne der Ätherisierung und Astralisierung gehen. Und es wird der Mistinhalt des Kuhhorns mit diesen Kräften, die nun dadurch alles heranziehen aus der umliegenden Erde, was belebend und ätherisch ist, es wird der ganze Inhalt des Kuhhorns den ganzen Winter hindurch, wo die Erde also am meisten belebt ist, innerlich belebt. Innerlich belebt ist die Erde am meisten im Winter. Das ganze Lebendige wird konserviert in diesem Mist, und man bekommt dadurch eine außerordentlich konzentrierte, belebende Düngungskraft in dem Inhalte des Kuhhorns. [...] Ja, Sie müssen nur bedenken, wie wenig man braucht an Arbeit. (GA 327, vierter Vortrag)

Nicht nur Kuhhörner finden Anwendung, sondern auch andere Tierbestandteile.

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[Kuhhorn, Darm, Schädel, Bauchfell, Blase: Tierteile haben einen festen Platz in der Herstellung magischer „dynamischer" Präparate. Tabelle vom Forschungsring für Biologisch-Dynamische Wirtschaftsweise e.V.]{.small}

Die Präparate sind ein wesentliches Merkmal der Demeter-Praxis und sind in den entsprechenden Richtlinien verbindlich vorgeschrieben. Tierbestandteile als magische Präparate vertragen sich aber wohl kaum mit einer vermeintlich progressiven, veganen Lebensweise, meiner Meinung nicht einmal mit Vegetarismus, da hierfür Tiere getötet werden müssen. Außerdem wird der Demeter-Betrieb als Gesamtkonzept verstanden, es sollen möglichst viele verschiedene Pflanzen- und Tierarten gehalten werden. So ist auch die Haltung von Wiederkäuern verpflichtend.

Grundsätzlich kann man sich natürlich fragen, wie Bio-Landbau ganz ohne die Haltung und auch Opferung von Tieren funktionieren soll. Immerhin stammt der Gutteil des organischen Düngers von Tieren, und zwar in Form von Mist und Gülle. Und auch auf Pflanzenschutz, etwa zur Vermeidung von Ernteausfällen, kann man im Bio-Landbau nicht komplett verzichten. Pflanzenschutz ist meist synonym mit der Vernichtung von Schadinsekten. Hier hat Steiner ein bemerkenswertes Rezept nach homöopathischer Art auf Lager: Die Schadinsekten sollen eingesammelt und verbrannt werden, um deren Asche auf dem Feld auszubringen. Dieses wird daraufhin von den Insekten gemieden. Aber auch vor Wirbeltieren macht Steiner nicht halt.

Denken Sie sich einmal, wenn man eine ziemlich junge Maus abfängt, da kann man sie häuten und kann die Haut von der ziemlich jungen Maus nehmen. [...] Wir verschaffen uns zur Zeit des Stehens der Venus im Zeichen des Skorpion diesen Mäusebalg und verbrennen da diesen Mäusebalg, nehmen sorgfältig dasjenige, was sich da jetzt entwickelt durch das Verbrennen der Asche, überhaupt an Bestandteilen, die her- ausfallen [...] Und in dem, was da durch das Feuer vernichtet wird, bleibt jetzt übrig die negative Kraft gegenüber der Reproduktionskraft der Feldmaus. [...] Wenn Sie nun den auf diese Weise gewonnen Pfeffer -- die Dinge werden ja auf gewissen Gebieten schwierig, da können Sie sich die Sache noch mehr homöopathisch machen, wir brauchen nicht einen ganzen Suppenteller voll Pfeffer [...] so werden Sie darin ein Mittel haben, daß die Mäuse dieses Feld meiden. Nun sind sie freche Tiere, sie kommen wieder hervor, wenn der Pfeffer so ausgestreut ist, daß in der Nähe etwas pfefferlos geblieben ist. Da nisten sie sich wieder ein. Das heißt, die Wirkung strahlt weit aus, aber es könnte ja doch geschehen, daß die Dinge nicht ganz durchgeführt werden. Aber es ist ganz gewiß eine radikale Wirkung, wenn in der ganzen Nachbarschaft das selbe gemacht wird. (GA 327, sechster Vortrag)

Ist biologisch-dynamische Landwirtschaft also kompatibel mit Veganismus? Nur wenn man das rituelle Schlachten und die Verbrennung von Tierkörpern gutheißt.

[via einige ähnliche Artikel in letzter Zeit und Andy Lewis{target="_self"}, von dem auch der Schlusssatz stammt.]{.small}

Quellen und Links

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