Das Wort „cis-Gentechnik" macht in letzter Zeit wiederholt die Runde. Cis-Gentechnik ist etwas anders, als das, was man sonst so als „grüne Gentechnik" kennt. Was unterscheidet cis-- von der transgenen Technik? Welche Rolle spielt dabei die konventionelle Züchtung? Vergleichen wir hier Äpfel mit Äpfeln oder Äpfel mit Kartoffeln?

Wurden etwa bei transgenem Bt-Pflanzen noch Gene des Bakteriums Bacillus thuringiensis in eine Pflanze eingeschleust, findet man in cisgenen Kartoffeln und Äpfeln lediglich Gene aus Kartoffeln und Äpfeln. Im Prinzip hätte man sie also mit den Mitteln normaler Züchtung herstellen können, nur handelt man sich damit stets unerwünschte Nebeneffekte ein, die man durch langwierige Rückkreuzung beseitigen muss.

Naiv betrachtet nimmt die cis-Gentechnik eine Mittelstellung zwischen konventioneller Züchtung und transgenen Ansätzen ein. Aus wissenschaftlicher Sicht gibt es zwar keinen Grund, weshalb sich die Biosicherheit von trans- und cisgenen unterscheiden sollte, aber sie hat das Potential, die Vorbehalte gegenüber der grünen Gentechnik als unnatürlichen Eingriff in die Schöpfung abzubauen. Die Hauptbedenken zielen ja gerade darauf ab, dass das Kombinieren genetischer Information weit entfernter Organismen irgendwie „falsch" sein müsste.

Der Nutzen für den Verbraucher

Die neue Generation gentechnisch veränderter Pflanzen hat mitunter echte Vorteile für den Konsumenten.

Die Firma Simplon hat etwa Kartoffeln entwickelt, in denen sie gezielt Gene „ausschaltete", die die Synthese der Aminosäure Asparagin regulieren. Aus den Kartoffeln hergestellte Pommes frites oder Chips sind arm an Acrylamid, einem krebserregenden Stoff in einigen Lebensmitteln. Hier findet man eine frei zugängliche Publikation von Simplon dazu.

Die Äpfel, die Andrew Allan an dem neuseeländischen Forschungsinstut Plant & Food Research entwickelt hat, haben leuchtend rotes Fleisch, wie einige Wildapfelsorten. Sie enthalten sehr viel Anthocyane, denen gesundheitsfördernde Wirkungen zugeschrieben werden. Man hat diesen Effekt erreicht, indem man die Genregion, die die Herstellung des „Anthocyan-Enzym" reguliert, vervielfacht hat. Das ist dem natürlichen Mechanismus in den roten Wildäpfeln nachempfunden. Näheres dazu hier im Prof. Pamela Ronalds Blog.

Der Nutzen für Umwelt und Landwirte

Die bestehenden, klassischen gentechnisch veränderten Pflanzen bedienen vor allem die Bedürfnisse des Landwirts: Herbizidtoleranz (Roundup-Ready) und Insektenresistenz (in Bt-Mais, Bt-Baumwolle, Bt-Soja) sind Erzeugermerkmale. Dass diese Merkmale beim Konsumenten nicht sonderlich beliebt sind, ist verständlich. In der Regel sind diese Merkmale aber gut für die Umwelt: Insektizide werden eingespart und ein höherer Ertrag auf dem Feld spart am Flächenbedarf.

So hat BASF eine Kartoffel entwickelt, die resistent gegen Knollenfäule ist, eine Pilzerkrankung, die die Hungersnot in Irland auslöste. Auch heute gibt es signifikante Ernteeinbußen durch Knollenfäule. In die BASF-Kartoffel wurde ein Merkmal einer Wildkartoffel eingeschleust, das sich über Jahre hinweg partout nicht einkreuzen lassen wollte. Ein Einsatz auf dem Feld spart Pestizide, was der Umwelt zugute kommt, dazu kommen noch die vermiedenen Ernteausfälle. Hier habe ich mich schon einmal mit der Kartoffel befasst.

An der ETH Zürich haben Wissenschaftler unter Professor Cesare Gessler eine schorfresistente Apfelsorte entwickelt, die vor allem Biobauern helfen könnte. Der konventionelle Landbau setzt erfolgreich Fungizide gegen die Pilzkrankheit ein, dem Biolandbau bleibt da nur Kupfersulfat. Das Kupfer belastet aber das Bodenleben und ist auch nicht besonders gesund. Der neue Apfel macht Fungizide überflüssig. Der schweizerische Tagesanzeiger berichtete.

Die so erzeugten Sorten kann man kaum noch als GVO im herkömmlichen Sinne bezeichnen. Die Bedenken hinsichtlich unvorhersehbarer Effekte durch Fremdgene entfallen, ebenso die Angst vor Allergenen. Immerhin sind es nur Apfelgene, die da im Apfel sind. Verglichen mit den Methoden der Mutationszüchtung sind die Methoden der Molekularbiologie eher sanft und vor allem präzise. Trotzdem sind es nach dem Gentechnikgesetz gentechnisch veränderte Organismen, und bedürfen ebenso einer Prüfung und Zulassung. Ob sie nicht aber besser als Züchtungsprodukte behandelt werden sollten, wird offenbar international diskutiert. Dass hier Bedarf für Präzisierung auf Gesetzesebene besteht, findet zum Beispiel auch mein ehemaliger Molekularbiologie-Professor Bernd Müller-Röber. Er stellt sinnvollerweise nicht die Methode der Erzeugung, sondern die Merkmale in den Vordergrund:

Wie beeinflussen wir mit klassischer Züchtung die Pflanzeneigenschaften, und welchen Einfluss hat im Vergleich dazu der transgene oder cisgene Ansatz? Und wenn ich zu dem Ergebnis komme, dass ich eine physiologische Veränderung genauso oder ähnlich mit klassischer Züchtung erreichen kann, dann sollte das auf jeden Fall in die Bewertung mit einfließen. (Quelle: biosicherheit.de)

Wie sehen das die Grünen und die Umweltverbände wie Greenpeace oder BUND? Eine klare Antwort zu bekommen, ist schwierig. Auf den Websites der Umweltschutzorganisationen konnte ich keinen cis-spezifischen Standpunkt finden. Mehrere Male habe ich versucht, den Sprecher der Bundestagsfraktion für Agrogentechnik Harald Ebner eine Antwort abzuringen ([1], [2], [3]), leider ohne Erfolg.

Mag sein, dass er mich ignoriert, weil ich mit ihm allgemein wegen Gentech aneinadergeraten bin, nachdem er die üblichen Plattitüden und widerlegten Scheinargumente der Gentech-Gegner wiederholte. Es kann natürlich auch sein, dass die Grünen noch keinen Standpunkt zum Thema ausformuliert haben.

Heute hat Sabine Niels, eine grüne Twitterin aus Brandenburg und keine ausgesprochene Expertin in Sachen Gentechnik, mir den offiziellen (?) Standpunkt der Grünen zum Thema mitgeteilt, den sie freundlicherweise im Verlauf der Woche für mich in Erfahrung gebracht hat:

Wir Grüne lehnen die CIS-Gentechnik grundsätzlich ab. Unserer Ansicht nach kommen bei der CIS-Gentechnik die gleichen Techniken zum Einsatz wie bei der Trans-Gentechnik. CIS-Gentechnik ist sehr komplex, wie auch unsere Kritik. Nächste Woche mehr. Folge doch dem \@ebner_sha -- unser MdB fs Fach (leicht verändert, aus [1], [2], [3])

Das ist eigentlich kaum nachvollziehbar. Entscheidend ist, wie Prof. Müller-Röber sagt, das Merkmal, und nicht die Technik.

Ich hoffe, dass in laufe der nächsten Woche noch eine substanziellere Begründung hindurchsickert. Vermutlich wird sie nur lauten „wir wissen ja nicht, was wir da mit der Pflanze anstellen, das ist alles nicht kontrolliert genug", obwohl das natürlich nicht stimmt.

Noch mehr hoffe ich, dass die Grünen einen differenzierten Standpunkt zur grünen Gentechnik entwickeln, denn sie bietet Potential für eine bessere Zukunft für Mensch und Umwelt. Bei der gentechnischen Produktion von Humaninsulin hat es eine Weile gedauert, bis die Grünen ihren Widerstand aufgegeben haben. Die Realität hat sie inzwischen längst eingeholt, denn durch den unbestrittenen Nutzen für Diabetiker hat sich auch der Widerstand in der Bevölkerung in Luft aufgelöst.

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