Von Zeit zu Zeit wird der gemeine Laborbiologe mit der harten Realität ausserhalb des Elfenbeinturms konfrontiert, und so eine Situation ist letztens auf unserem Campus eingetreten. Es hatte sich eine Delegation aus Tierversuchsgegnern angekündigt, die gegen die „unnötige Tierquälerei" am Max-Delbrück-Centrum und den Neubau eines neuen Tierhauses demonstrieren wollte. 

Es fanden sich dann vor dem Pförtnerhäuschen um die acht Leute ein, die sich in Position brachten, ein wenig filmten und anschießend wieder abzogen. Das Resultat darf bei YouTube bewundert werden:

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Es fällt schwer, so etwas ernst zu nehmen, weshalb Aktionen dieser Art von Wissenschaftlern und Involvierten gern als Spinnerei abgetan werden. Es ist für Mediziner/innen oder Biolog/innen, die tagtäglich mit Ergebnissen von Tierversuchen hantieren, schwer vorstellbar, dass jemand die Wichtigkeit von Modellorganismen anzweifelt. 

Denn wer radikal gegen Tierversuche ist, ist für Menschenversuche. Das gilt vor allem für die Arzneimittelforschung. Es reicht nicht, nur einen Wirkstoff zu finden, es muss anschließend geprüft werden, ob er auch gefahrlos einzunehmen ist. Und das macht man idealerweise nicht in Menschen. Die Entwicklung eines Medikaments vollzieht sich heute über mehrere Stufen, in denen es zuerst in verschiedenen zell- und computerbasierten Verfahren getestet wird, dann in verschiedenen Tiermodellen und zuletzt in Affen und dann in Menschen. Ziel ist es, schädliche Wirkungen möglichst früh zu erkennen. Ziel ist es, schädliche Wirkungen am Patienten zu vermeiden.

Analog gilt das auch für die Lebensmitteltoxikolgie: Sichere Lebensmittel werden zwar gefordert, dass aber für die Tests, ob Substanzen krebserzeugend oder fruchtschädigend sind, tausende Nager ihr Leben lassen müssen, wird in diesem Moment ausgeblendet. Zell-Assays können keinen Organismus abbilden, aber es gibt schon allein wegen der EU-Maßnahme REACH einen großen Bedarf an ökonomisch und ethisch vetretbaren Alternativen. Man kann darüber streiten, ob in der Vergangenheit genug in Alternativen investiert wurde. Fakt ist aber, dass der Stand der Wissenschaft es nicht erlaubt, auf Tiermodelle voll zu verzichten. Zellen haben keine Sinneswahrnehmungen, kein Verhalten, betreiben keine Fortpflanzung und haben nicht einmal einen Stoffwechsel.

Selbst wenn man fordert, dass Tierversuche nur einen direkten Nutzen haben dürfen, macht das nur oberflächlich gesehen Sinn. Schließt man die Grundlagenforschung aus, schneidet man den Weg zu neuen Erkenntnissen ab, die mitunter zu neuen Therapiemöglichkeiten führen können. Hier kann man vermutlich am wenigsten auf Modellorganismen verzichten. 

Tierschutzorganisationen wie die „Ärzte gegen Tierversuche" bestimmen die öffentliche Meinung, wenn es um dieses Thema geht. Wissenschaftler und die an Tierversuchen beteiligten Firmen, Behörden, Universitäten und Forschungsinstitute haben es versäumt, in der Öffentlichkeit ein entsprechendes Gegengewicht zu etablieren. Das führt so weit, dass Fluggesellschaften den Transport von Primaten zu Forschungszwecken verweigern, mit der Folge, dass die nötigen Versuche ins Ausland mit einem weniger starken Tierschutz verlagert werden.

Wir Wissenschaftler/innen täten gut daran, dieses Thema ernster zu nehmen und die Notwendigkeit von Tierversuche nach außen zu kommunizieren. Das Thema ist unangenehm, und niemand wird gern öffentlich erklären wollen, warum er oder sie täglich Mäusen den Kopf abschneiden muss. Es ist schwierig, Leute zu finden, die sich  öffentlich für das Thema einsetzen. Was wir bräuchten, ist eine Initiative „für" Tierversuche, ähnlich der britischen ProTest-Bewegung.

Eine Gelegenheit, Position zu beziehen, bietet sich morgen (24. April), wenn in der Urania Berlin eine Podiumsdiskussion stattfindet: „Die Zeit ist reif für eine Forschung ohne Tierversuche.

Auf dem Podium wird man antreffen:

  • Undine Kurth (MdB, Grüne)
  • Prof. Horst Spielmann, Institut für Pharmazie, FU Berlin und ehemaliger Leiter der Zentralstelle zur Erfassung und Bewertung von Ersatzmethoden zu Tierversuchen ZEBET
  • Roman Kolar, Stellvertretender Leiter der Akademie für Tierschutz des Deutschen Tierschutzbundes
  • Gerald Hübner, 2. Vorsitzender der Tierversuchskommission des Landes Berlin
  • und als Moderatorin Ines Krüger vom MDR.

Wer kommt mit und lockert das Publikum mit etwas Insider-Informationen auf?

Update: Vorraussichtlich werde ich nicht mitkommen können (zu kurzfristig für die üblichen Babysitter), es wäre aber schön, wenn ich mit diesem Beitrag jemand animieren könnte, an der Diskussion teilzunehmen.

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