Die taz titelte heute „Gentechnik kein Allheilmittel -- Innovationen auf dem Acker", was bei mir alle Alarmglocken schrillen ließ, denn niemand behauptet ernsthaft, dass Gentechnik ein Allheilmittel sei, weswegen es wenig Sinn macht, diese Aussage zu widerlegen. Das ist ein argumentativer Pappkamerad, ein Strohmann, den man leicht abbrennen kann, um das Gegenüber zu diskreditieren: Man schiebt dem „Gegner" eine unmögliche Position unter, die er nicht vertritt, um sie dann zu demontieren und sich im Recht zu fühlen.

In der Anfangszeit der Gentechnik mag dieser Enthusiasmus in Fachkreisen durchaus vorgekommen sein -- man denke nur daran, welche Hoffnungen an der Sequenzierung des Humangenoms hingen -- aber Wissenschaftler sind nicht die ideologisch verblendeten technikgläubigen Spinner, die erst von der Realität eingeholt werden müssen, als die sie die taz darstellt.

Forscher begreifen, dass gentechnisch veränderte Nutzpflanzen nicht ausschlaggebend sind für die Welternährung. [...]

unter Wissenschaftlern hat sich klammheimlich die Erkenntnis durchgesetzt, dass gentechnisch veränderte Nutzpflanzen kaum eine Rolle spielen werden, wenn es darum geht, in 40 Jahren 9 Milliarden Menschen zu ernähren, was eine Mehrproduktion von 50 Prozent bedeutet. [...]

Tatsächlich diskutieren viele Wissenschaftler kaum noch mit ideologischen Scheuklappen. [...]

Ein Paradigmenwechsel hat sich in den Laboren vollzogen.

Diese Aussagen sind eine unglaubliche Frechheit. Kathrin Burger sollte sich schämen, den Wissenschaftlern und technischen Kräften eine solche Position unterzujubeln, und ihnen zu sagen, dass sie endlich begreifen sollen, dass Gentechnik so furchtbar überflüssig ist. Und dass es ja viel bessere Werkzeuge gibt, mit denen man die großen Probleme der Landwirtschaft lösen könne.

Frau Burger hat ganz richtig erkannt, es geht nicht um „Bio vs. konventionelle Landwirtschaft" oder „Gentechnik ja oder nein" -- diese dämlichen Konflikte haben in die Fachdiskussionen der Forschergemeinde nie Einzug gehalten. Das wäre auch völliger Blödsinn: Allein die so genannte „konventionelle Landwirtschaft" umfasst ein derartig breites Spektrum an Methoden und Ansätzen, dass es eigentlich wenig Sinn macht, die alle in einen Topf zu werfen. Vielmehr muss man das beste aus allen Welten kombinieren, situationsabhängig und unter Berücksichtigung der Bedingungen im Einzelfall, um eine optimale Lösung zu finden.

Es geht in der Forschung allgemein um die Lösung von Problemen, wie etwa wie man die Nährstoffzusammensetzung der Pflanzen verbessert; oder sie resistent gegen Pilze, Bakterien, Viren oder Insekten zu machen, um den Pestizideinsatz zu verringern; sie gegen Überflutung oder Dürre tolerant zu machen, um Ernteausfälle zu vermeiden; oder einfach einen Apfel gesünder zu machen, indem man ihn bestimmte Substanzen vermehrt herstellen lässt. Selbst die Etablierung von den vielgescholtenen Herbizidresistenzen macht Wirtschaftsformen möglich, die besonders schonend für den Ackerboden sind.

Dass sich bestimmte Probleme mit Züchtungsmethoden schneller oder einfacher lösen lassen, als mit der Gentechnik, ist alles andere als eine neue Erkenntnis. Jeder, der nur zwei Artikel zum Thema gelesen hat, wird das kapiert haben. Hier wird durch die taz etwas als Neuigkeit verkauft, nein, als Argument gegen die ach so unnütze grüne Gentechnik, was in Fachkreisen vermutlich seit Jahrzehnten common sense ist. Dass die Verbesserung der Anbaumethoden zur Verbesserung der Nachhaltigkeit vor allem in weniger entwickelten Ländern riesiges Potential ist so offensichtlich, dass man es kaum fassen kann, dass einem die taz als etwas verkaufen will, was der gemeine Wissenschaftler erst jetzt realisiert haben soll.

Es liegt auf der Hand: Die Gentechnik macht vieles möglich, was man mit den altgedienten traditionellen Methoden zur Genom-Modifikation (also „Züchtung"), nicht erreichen konnte. Man kann mit ihr Gene zwischen sexuell inkompatiblen Spezies austauschen, sogar Gene weit erntfernter Arten kombinieren. Wer aber einmal eine Idee davon bekommen hat, wie komplex die Regulationsmechanismen in einer Pflanze sind, wird einsehen, dass die Möglichkeiten der Technologie trotzdem recht begrenzt sind. Wer ein Grundverständnis davon hat, wie verschieden sich Genprodukte in unterschiedlichen Umgebungen verhalten können, wird ein Allheilmittel-Versprechen nicht ernst nehmen können.

Denn es ist vielmehr so, dass durch sich durch die Züchtung entscheidet, ob man einen pflanzlichen Oldtimer oder einen Formel-Eins-Wagen auf dem Acker fährt. Durch die Gentechnik kann man Heckspoiler oder andere Gimmicks anbringen, aber das Modell substanziell zu ändern, ist ziemlich schwierig. Die traditionelle Kreuzung, bei der einfach mal alle Gene gut durchgeschüttelt und ungerichtet kombiniert werden, kann bei komplexen Eigenschaften viel schneller zum Ziel führen.

Die Art des Problems bestimmt die Wahl der Werkzeuge: Es gibt einige Beispiele, wo Züchtung schlicht und einfach nicht weiterhilft. So werden Bananenpflanzen derzeit von einigen desaströsen Krankheiten heimgesucht, und weil Bananenpflanzen steril sind, kann man keine Resistenzgene einkreuzen. Deswegen liegt viel Hoffnung in transgenen Ansätzen. Über Jahre hinweg hat man versucht, eine Knollenfäule-Resistenz aus Wildkartoffeln in normale Kulturkartoffeln einzukreuzen -- ohne Erfolg. Vor kurzem hat BASF nun eine Kartoffelsorte mit eben dieser Resistenz zur Zulassung eingereicht -- das Wildkartoffelgen wurde aber mit gentechnischen Scheren und Pinzetten verpflanzt. Umgekehrt hat ebern auch die moderne „Präzisionszucht" Erfolge gefeiert  -- im Artikel wird der überflutungstolerante sub1-Reis genannt. Wäre dieser Reis gentechnisch erzeugt worden -- hätte ihn die taz wie den Golden Rice als „Imagekampagne" verunglimpft?

Beweist der eine oder andere Fall eine generelle Überlegenheit einer bestimmten Methode? Natürlich nicht -- wie gesagt, entscheidet das konkrete Problem über die Wahl der Werkzeuge.

Die unzureichende Trennung von Agrarindustrie und staatlich finanzierter Forschung ist ein weiterer Punkt, der mich am Artikel stört. Nicht nur die Industrie forscht an Ackerpflanzen, es gibt eine Menge unabhängiger Forschung zu dem Thema! So wird richtig gesagt, dass die Entwicklung bestimmter gentechnisch modifizierter Ackerfrüchte wie Banane, Yams oder Teff für die Industrie nicht lohnenswert sind -- verschweigt aber, dass daran wahrscheinlich vor allem die immensen Kosten der Zulassungsbedingungen Schuld sind. Es gibt eine Vielzahl von Merkmalen, die fertig entwickelt auf die Kommerzialisierung warten. Und dass an gentechnisch modiiziertem Maniok und Bananen schon seit vielen Jahren geforscht wird, und zwar staatlich oder von nicht-staatlichen non-profit-Organisationen finanziert -- wird ebenfalls unterschlagen.

Liebe taz, es ist schön, dass ihr begriffen habt, dass die Gentechnik nicht alle Agrar-Probleme der Welt lösen kann. Die Agrarwissenschaftler, Genetiker und Pflanzenwissenschaftler dieser Welt wussten das schon etwas länger. Vielleicht hättet ihr mal früher jemanden fragen sollen, der mit dem Thema professionell befasst ist? Wissenschaftler diskutieren nämlich ungern mit euren „ideologischen Scheuklappen", das liegt in der Natur der Sache, Probleme lösen zu wollen und Lösungsansätze möglichst unvoreingenommen zu diskutieren.

Links und Literatur

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