Nachdem sich in den letzten Jahren die Ablehnungshaltung der Europäer gegenüber gentechnisch veränderten Pflanzen in der Landwirtschaft verhärtete, schließt BASF nun alle entsprechenden Forschungseinrichtungen und richtet seinen Fokus auf andere Regionen. Deutschlands Äcker sind damit ab 2012 nun endgültig Gentechnik-frei. Greenpeace frohlockt und wiederholt mantraartig „Agro-Gentechnik ist keine Zukunftstechnologie" und „Koexistenz ist nicht möglich" -- als wenn es dadurch wahr werden würde. NGOs wie Greenpeace oder Foodwatch haben maßgeblich dazu beigetragen, in der Bevölkerung und Politik eine nicht rational zu rechtfertigende Abwehrhaltung gegen alles was „Gen" im Namen hat, aufzubauen. Der Abzug von BASF nach Nordamerika ist letztlich eine geschäftstaktische Reaktion, die ich nachvollziehen, aber nicht gutheißen kann, denn es ist eine Kapitulation vor der Unvernunft.

Ablehnung hat in den letzten Jahren zugenommen

Freilandversuche durchzuführen ist für Universitäten und Forschungsinstitute zu einem unkalkulierbaren Risiko geworden. Aktivisten zerstörten wiederholt Versuchsfelder und sabotierten damit öffentliche Forschung. Zuletzt richtete sich die Gewalt nicht nur gegen Versuchspflanzen, sondern auch gegen Menschen: Im Sommer 2011 brachen Aktivisten in den „Schaugarten Üplingen" in Sachsen-Anhalt ein, bedrohten den Wachschutz mit Pfefferspray und zerstörten anschließend Gen-Weizen und Killer-Kartoffeln. Ein Jahr zuvor gab es Übergriffe auf das private Umfeld des ETH-Professors Wilhelm Gruissem, der Risikoforschung an gentechnisch veränderten Pflanzen betreibt. Die Militanz der Gentechnik-Gegner hatte damit definitiv ein neues Level erreicht. Damit sind die Felder inzwischen nicht nur ein finanzielles, sondern ein persönlich bedrohendes Risiko.

Von der Kommerzialisierung von gentechnisch veränderten Ackerpflanzen kann man hierzulande nur träumen: Kleinunternehmen haben es längst aufgegeben, auf diesem Gebiet zu arbeiten. Nur die Großkonzerne mit ihren prall gefüllten Kassen können darüber nachdenken, eine neue Pflanzensorte durch den Zulassungswahnsinn zu prügeln. Selbst nach erfolgreicher Zulassung sind die Firmen nich nicht sicher: Gegen Monsantos insektenresistenten Mais MON810 gibt es in vielen europäischen Ländern politisch begründete Anbauverbote.

BASF kapituliert -- das falsche Signal

Nun hat BASF als das letzte Großunternehmen, das in europäische Agrar-Gentechnik zuletzt mehr als eine Milliarde Euro investiert haben will, endgültig das Handtuch vor der Ignoranz der Europäer geworfen. Der Konzern stampft damit auch alle auf den europäischen Markt ausgerichteten Projekte ein, wie die Papierstärke-Kartoffel Amflora, die nach 13 Jahren endlich eine EU-Zulassung bekam, oder auch die mit Wildkartoffelgenen versehene Fortuna, die resistent gegen Knollenfäule ist. Amflora wollte keiner haben und wurde nach nur zwei Jahren nicht mehr vermarktet. Die Pommes-Kartoffel Fortuna, deren Zulassung erst im November 2011 beantragt wurde, wird gar nicht erst am Markt eingeführt werden.

Damit ist auch nicht zu erwarten, dass die Bürger durch den Kontakt mit dem Produkt die Scheu vor ihm verlieren.

Auch aus anderen Gründen ist der BASF-Rückzug bedauerlich: Arbeitsplätze und damit auch Perspektiven für Jungforscher in Deutschland gehen verloren, und in der Konsequenz wandert das Know-How in das Ausland ab. Ein Kommentar, den ich vor kurzem von einer „nachwachsenden" Pflanzengenetikerin gehört habe, lautete: „Naja, dann gehe ich halt auch in die USA, um da zu arbeiten". Nicht zuletzt waren die schlechten Perspektiven auf dem Gebiet auch für mich der Hauptgrund, weshalb ich mich nach meiner Diplomarbeit am MPI für molekulare Pflanzenphysiologie von diesem Themenfeld abwandte, um am Forschungsinstitut für molekulare Pharmakologie an einem Projekt mit medizinischer Relevanz zu arbeiten.

Natürlich ist es auch ärgerlich, dass sich der Konzern nun unter dem öffentlichen Druck gebeugt hat und die Gentechnikgegner sich gegenseitig auf die Schultern klopfen können. Die Panikmache in der Öffentlichkeit war erfolgreich.

Wer hat Schuld an der Misere?

Ich glaube nicht, dass die Ablehnung bei entsprechender Aufklärung der Bevölkerung aufrecht zu erhalten wäre -- die existierenden Vorurteile richten sich meistens gar nicht gegen die Technologie an sich, und kann man sie dementsprechend auch abbauen. Leider wird der Themenkomplex von NGOs, vorgeblich „naturnah" operierenden Unternehmen und nicht zuletzt die Politik für ihre Zwecke instrumentalisiert und missbraucht. Damit sind die Fronten zwischen Gegnern und Befürwortern verhärtet und die extremen Meinungen der Aktivisten beider Seiten sind in die öffentliche Meinung gesickert. Sicher kommt auch den Großkonzernen, die durch massive Lobbyarbeit und aggressive Patentpolitik auffallen, ein Teil der Schuld am Imageverlust der grünen Gentechnik zu.

Dabei liegt es auf der Hand, warum wir Gentechnik brauchen, auch in Europa. Eine Landwirtschaft, die in summa nachhaltiger ist, als die „konventionelle" oder die „biologisch-organische", wäre damit möglich. Ein Beispiel ist die bereits erwähnte BASF-Kartoffel Fortuna, die die Verwendung von giftigen Pilz-Pestiziden verringern könnte, deren erfolgreiche Marktzulassung nun aber wieder fraglich ist.

Stattdessen ziehen die Wohlstandsmaden am 21.01. wieder ums Rote Rathaus, demonstrieren gegen Gentechnik und für „Bauernhöfe statt Agrarindustrie". Macht dieser Slogan denn überhaupt Sinn?

 

Lesenswert

Nächster Beitrag