Dr. Henriette Uhlenhaut meistert Familie und wissenschaftliche Karriere. Im Gespräch verrät sie die Strategie, die sich bisher für sie bewährt hat.

Dr. Henriette Uhlenhaut erforscht als eine der aufstrebenden deutschen Nachwuchswissenschaftlerinnen regulatorische Netzwerke von Hormonrezeptoren. Sie leitet eine unabhängige Forschungsgruppe am Helmholtz-Zentrum München, hat Zwillinge im Kindergartenalter und sieht trotzdem überhaupt nicht abgespannt oder gestresst aus, als ich sie am Rande der 64. Nobelpreisträgertagung treffe. Sie findet, dass sich Wissenschaft und Familie gut vereinbaren lassen, wenn man den eigenen Alltag halbwegs im Griff hat und Förderungsangebote nutzt.

Wer eine Familie und einen fordernden Job hat, darf sich nicht auf andere verlassen, sondern muss an sich arbeiten. Und so lässt sich Henriettes Ansatz vielleicht in einem Wort zusammenfassen: Lebensoptimierung.

Wie sieht also der optimale Alltag mit Kindern aus? Wir einigen wir uns schnell darauf, dass „eine Menge miteinander verbrachte Zeit“ allein nicht viel wert ist. Nicht die Anzahl der Stunden, die man miteinander verbringt ist entscheidend, sondern die Qualität der gemeinsamen Zeit. Als Voraussetzung für eine glückliche Familienzeit empfiehlt Henriette: „Damit die Abendstunden für das Familienleben zur Verfügung stehen, ist eine Optimierung des Tagesablaufs notwendig.“

Ein häuslicher Alltag würde uns als Wissenschaftler unterfordern, und so sind wir in einem intellektuell anspruchsvollen Umfeld besser aufgehoben als zu Hause. Gleichzeitig sei eine gute Kinderbetreuung ein Gewinn für die Kinder – in einer guten Kita entwickelten Kinder nicht nur ein soziales Umfeld, sondern würden gezielt gefördert und langweilten sich nicht.

Henriette arbeitet von neun bis fünf Uhr, schreibt keine einzige private E-Mail während der Arbeitszeit und nutzt jede Minute sinnvoll. Sie nutzt auch den Abend für Arbeiten, wenn die Kinder schon im Bett sind. Henriette sagt, dass sie damit effizienter arbeitet als früher. „Wenn wir ganz ehrlich sind, sind die meisten Doktoranden oder Postdocs nicht besonders gut organisiert. Wenn ich weiß, dass ich bis nachts um zehn Zeit habe, arbeite ich weniger effizient.“ Gegen perfekt durchorganisierte Workaholics (siehe mein vorheriger Beitrag zur Work-Life-Balance) hat sie allerdings auch kein Wundermittel.

Henriette gibt zu: „Im ersten Jahr und in der Schwangerschaft war ich weniger effizient“. Diese Phase ließe sich aber überwinden, denn der wissenschaftliche Alltags gewährt Forscher/innen auch viel organisatorische Freiheiten. Als Gruppenleiterin arbeitet sie ohnehin die meiste Zeit am Computer und muss ihren Tagsablauf nicht wie Doktorand/innen und Postdocs um Experimente herum gestalten. Und selbst als Laborarbeiter genießt man flexible Arbeitszeiten wie sonst häufig nur Selbstständige.

Damit Wissenschaftlerfamilien trotz insgesamt wenig verfügbarer Zeit nicht ins Hintertreffen geraten, werden sie inzwischen von einigen deutschen Geldgebern gezielt gefördert. Henriettes Stelle wird beispielsweise über das Emmy-Noether-Programm der deutschen Forschungsgemeinschaft finanziert, das pro Kind pauschal [eine Verlängerung um zwei Jahre](eine Verlängerung um zwei Jahre) anrechnet. Wirbt man Gelder von der Robert-Bosch-Stiftung ein, darf man diese für die Kinderbetreuung ausgeben.

Die gewährten Freiheiten durch flexible Arbeitszeiten und Geldgeber kann man nutzen, andere Freiheiten musste sich die Gruppenleiterin erst schaffen. Henriette stört, dass es in weiten Teilen Deutschlands immer noch üblich ist, dass eine junge Mutter mehrere Jahre zu Hause bleiben soll, weil sie sonst als „Rabenmutter“ gilt. Dieser gesellschaftlichen Norm haftet der Mief des Mutterkreuzes an. Wer diesem ausgesprochen deutschen Familienmodell folgt, verliert wissenschaftlich schnell den Anschluss, befanden auch die Panelisten um Elizabeth Blackburn am Dienstag Morgen.

Die ersten Jahre mit Kindern sind aber trotzdem die stressigsten und lassen sich schlecht optimieren – Kindergartenkinder werden zum Beispiel oft krank und müssen zu Hause betreut werden. Ein Partner, der beruflich Kompromisse eingehen kann, ist deshalb mehr als hilfreich. Henriettes Mann hat ein Jahr Elternzeit genommen.

Damit sind auch gewisse Risiken verbunden, denn die Wissenschaft birgt durchaus große Karriere-Unsicherheiten und setzt Wissenschaftler unter Druck. So muss Henriette in kürzester Zeit viel und möglichst prestigeträchtig publizieren, damit sie die nächste Karrierestufe erklimmen kann.

Das alles zeigt, dass es junge Eltern in der Wissenschaft nicht einfach haben und hart arbeiten müssen, um trotzdem konkurrenzfähig zu sein. Der Alltag lässt sich zwar optimieren, Restunsicherheiten und Abstriche in anderen Lebensbereichen sind trotzdem unumgänglich.

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